Die Macht der Steine
mit Steinen beschwert worden. An einer Seite des Tisches saß ein Berater, der alte Habiru Ezeki Iben Tav. Ezeki war schlank und runzlig, die Stirn von der Sonne lederartig verbrannt, aber die Stelle des Schädels, die üblicherweise von einer grob gewirkten Mütze bedeckt wurde, war fast weiß. Er behauptete, vor Jahren einmal Lehrer gewesen zu sein. Er benutzte die Mütze jetzt als Fächer, während er mit dem spitzen Nagel eines Fingers einen Weg auf einer Karte nachzeichnete. »Was war Bucephalus?« fragte Durragon ihn.
»Eine Störung der Hirnfunktion bei den Städtern in den frühen Jahren des Planeten«, sagte Ezeki. Durragon grunzte und betrachtete die Karten.
»Warum sollte man einem Reittier denn einen solchen Namen geben?« fragte er.
Unter der heißen Sonne schwitzend, stritten Nebeki und Breetod sich. »Ich sage nur die Wahrheit«, insistierte Nebeki. »Und außerdem stammte der Name von dir.«
»Ezeki hat mir von Alexander erzählt. Ihr hättet ihm nicht sagen sollen, daß es ein Spielzeug war. Er wird es jetzt nicht mehr haben wollen, und wir müssen den Schrotthaufen dann führen.«
Was macht man mit einer legendenumwobenen Stadt?
An einem Brunnen in einem Park, der sich auf einer der oberen Ebenen befand, labte sie sich an klarem, kühlem Wasser. Der Rasen wurde von organischen Maschinen gepflegt, die das gemähte Gras verzehrten und dann die Rasenflächen düngten. Bewässerungsschläuche ringelten sich wie Würmer über den Boden und sprengten zuweilen das Grün. Die Bäume wurden von Einheiten gestutzt, welche die Attribute von Giraffen, Rosensträuchern und silbrigen Scheren in sich vereinigten. Was ihr indessen am stärksten auffiel, war das kohärente Erscheinungsbild der Stadt. Jedes Teil stellte offensichtlich eine integrale Komponente der Stadt dar, das sich wie ein Puzzleteil mit den richtigen Winkeln und Kurven ins Gesamtbild einfügte. Die Plätze in der Stadt, die noch völlig gesund waren, glichen der Interpretation eines Kindertraums durch Städteplaner – Ästhetik verquickt mit Phantasie, Zweckmäßigkeit mit kühnem Einfallsreichtum.
Der Verlust der Städte mußte die verbannten Bewohner schier um den Verstand gebracht haben. Gott-der- Schlachtenlenker war eine schöne Welt, mit einer Artenvielfalt wie auf der alten Erde, aber es war ein rauher, urwüchsiger Ort. Sie schüttelte den Kopf. Der Planet hatte schon vor vielen Generationen die Herrschaft über die Menschen zurückerobert, nachdem die künstlichen Regelungsmechanismen ausgefallen waren. Elend und Verzweiflung und Krankheiten waren wieder an der Tagesordnung; zuweilen hatte es den Anschein, daß Gott-der- Schlachtenlenker versuchte, sie bei lebendigem Leibe zu verschlingen. Trotz dieser Widrigkeiten hatten die Verbannten sich behauptet, die Attacken des Planeten abgewehrt und sich in dem Überlebenskampf eingerichtet, mit dem Reah und neun oder zehn Generationen vor ihr sich bereits arrangiert hatten. Während dieser ganzen Zeit schienen die Städte sie zu verhöhnen.
Aber was konnte sie daran ändern?
Alle Städte waren über formale Kommunikationsverbindungen miteinander vernetzt. Obwohl die Städte autonom waren, hatten sie bei der Überwachung der moralischen Standards kooperiert und sich stündlich untereinander über die Fortschritte informiert.
Es hatte nicht einmal ein Jahrhundert gedauert, bis die Städte zu einem Entschluß gelangt waren. Eines schrecklichen Morgens verjagten die Städte in einer konzertierten Aktion all ihre Bewohner. In Übereinstimmung mit den Notfallprozeduren, welche die Ächtung spirituell kranker Gemeinschaften garantierten, brachen die Verbindungen zwischen den Städten zusammen. Die Menschen irrten ziellos durch die parkähnlichen Wälder und Felder. Es kam zu verbreiteten Hungersnöten und Ausbrüchen von Gewalt. Kein Schiff von außerhalb wagte zu landen, aus Angst, daß die Städte die Fahrzeuge beschlagnahmten oder die Bürger sie in ihrem Wahn zerstörten.
Die Städte konnten selbst nichts zu einer Veränderung der Dinge beitragen. Einige hatten es anscheinend versucht und waren gescheitert. Die Menschen mußten selbst die Initiative ergreifen. Aber sie hatten es seit tausend Jahren versucht und waren ebenfalls gescheitert.
Konnte sie denn mehr erreichen?
Reah schaute auf ihr Leben zurück und sah sich in drei verschiedenen Identitäten: zum einen die glückliche, naive Frau des moslemischen Schmieds; zum anderen die verrückte Harridan; und schließlich die
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