Die Macht der Steine
Gegenüber, der rechte Flankenläufer Nebeki, saß da, kaute auf einem Stück Fleisch einer Riesenschnecke herum und nickte bei der Verlesung der Namen der Truppenführer.
»Ferda, Comingory und Flavin; sie haben zwei landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und ein Dorf geplündert. Fünfzig Rinder, siebenundzwanzig Frauen, zehn Tonnen Getreide.«
»Sie haben zu viele getötet«, knurrte Durragon. Sein mit Leder bespannter Klappstuhl ächzte, als er sich im heißen Schatten nach vorn beugte. Ein Schweißtropfen kullerte von seiner Nase und platschte auf den Lederbezug. »Reduziere ihren Anteil um ein Zehntel und gib Comingory zwei Hiebe auf die Handfläche.«
»Zu viel der Schande«, gab Nebeki zu bedenken. »Ein Zehntel Abzug ist genug, Sir, wenn ich mal so sagen darf.«
Durragon hob die Schultern. »Sage ihm, er hätte die Hiebe eigentlich verdient, aber ich vertraue bei zukünftigen Beutezügen auf seine Disziplin und will noch einmal Gnade walten lassen. Ist das alles?«
Breetod nickte und sah Durragon mit einem irren Blick seiner blauen Hundeaugen nach, während der Apostat zum Zelteingang schritt und ihn lüftete. »Keine Städte mehr übrig«, stellte er fest. »Und ich wollte hier immer meine Hauptstadt errichten. Jetzt, wegen unseres… ich sage mal Enthusiasmus, kann ich nicht einmal meine Armee hier unterhalten. Zumindest nicht in den nächsten drei oder vier Jahren. Also wohin jetzt?«
Nebeki ließ die Fleischreste in eine Holzschüssel fallen und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab, das an einer Zeltstange hing. »Bevor wir gehen, Sir, könnten wir noch versuchen, die Stadt auf der Hochebene anzugreifen.«
»Da kommen wir nicht rein.«
»Meine Läufer sind vor einer Woche dort vorbeigelaufen. Sie sagen, daß die Stadt schnell stirbt. Ein Drittel ihrer Türme ist schon grau. Bald wird sie nicht mehr imstande sein, die Stacheln auszufahren, und wir können nach Waffen und Schmuck suchen, vielleicht sogar nach Maschinen, wenn wir sie zähmen können.«
Durragon setzte einen grimmigen Blick auf. Als Kind hatte er durch einen marodierenden Stadt-Teil einen Finger verloren. Die Monster, die aus einer toten Stadt strömten, waren zu unberechenbar für seinen Geschmack; sein Vater hatte seinen Lebensunterhalt damit verdient, sie zu zähmen, wobei ihm diese Neigung indessen nicht vererbt worden war.
»Wasservorräte und gutes Land«, lockte Breetod. »Eine Stadt schlägt ihre Wurzeln immer in gutem Boden. Wir könnten uns in ihrer Nähe niederlassen und die paar Monate abwarten, bis sie gestorben ist.« Er war angetan von der Vorstellung einer Rast.
Durragon neigte den Kopf auf die Seite und dachte ein paar Minuten lang intensiv nach, während seine Flankenläufer in respektvollem Schweigen verharrten, und schließlich stimmte er mit einem kaum merklichen Nicken zu. »Breetod wird die Träger und die Beute überwachen. Wir kehren zur Expolis Kapernaum zurück. Vielleicht haben ein paar Habiru sie wieder aufgebaut, und wir können bei ihnen Saatgut eintauschen und Getreide anbauen, solange wir warten.«
Nebeki schaute auf Breetod, der seinen Blick mit warnend geschürzten Lippen erwiderte. Trotz Durragons Vorfahren wußte dieser nur wenig über die Habiru und die Landwirtschaft. Sowohl die Überlebenden als auch das Land, auf dem sie sich befanden, waren schwierig, aber es war kaum mit Gefahr zu rechnen – höchstens mit Langeweile.
Reah saß mit grimmigem Gesichtsausdruck am Computer. Sie wußte, daß sie nichts wußte und somit hilflos war, aber die Vorstellung, mit etwas Nichtmenschlichem zu kommunizieren, verursachte ihr Unbehagen. Belshezar hatte sich an der gegenüberliegenden Seite des Appartements an einen halb in den Boden eingelassenen, weißen Keramikellipsoiden gelehnt und beobachtete sie. Neben ihm befand sich eine schwarzhaarige Frau mit herbem Gesicht namens Rebecca. Hinter ihnen, unter dem breiten Panoramafenster, das auf eine Promenade und einen überdachten Park hinausging, lag ein Trümmerhaufen, der einst Möbel dargestellt hatte. Reah rutschte auf dem Sitz herum.
»Hatte jeder in Wiederauferstehung so etwas?«
»Jedes Appartement«, bestätigte Belshezar. »Sie waren so verbreitet wie Fenster, aber wichtiger. Kinder lernten mit ihnen, und die Erwachsenen sahen darin, was sich in ihrer Welt ereignete.«
Grüne Jalousien vor der Konsole wurden durch ihre Berührung hochgezogen, und ein fließendes türkisfarbenes Dreieck schimmerte auf dem flachen
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