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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Bildschirm. Unterhalb des Bildschirms befand sich eine ungefähr dreißig Zentimeter durchmessende Platte mit zwei Tastaturen auf jeder Seite, die dem Benutzer ein Höchstmaß an Ergonomie boten. Sie drückte auf die für den Zeigefinger vorgesehene Taste, und die Abbildung eines Humanoiden erschien auf dem Bildschirm, ein geschlechtsloser Homunculus, der in eine hautenge schwarze Montur gehüllt war.
    »Kann ich helfen?« fragte die Einheit in einem stark akzentuierten Tonfall.
    »Es ist schwer zu verstehen«, sagte Reah und drehte sich zu ihnen um. Belshezar trommelte mit den Fingern auf dem Ellipsoiden herum und schaute Rebecca mit einem nachsichtigen Lächeln an. »Das ist Englisch, wie es vor tausend Jahren gesprochen wurde«, erläuterte Rebecca.
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Stell ihm Fragen.« Sie warf ihr rotes Haar zurück. »Es wird deine Fragen beantworten.«
    »Nicht einfach irgendeine Frage«, korrigierte Belshezar. »Bedenke – die Städte sind schon seit Jahrhunderten nicht mehr bewohnt. Die Speicher sind nicht auf dem neuesten Stand. Es weiß nicht viel über externe Ereignisse – obwohl es anscheinend einige Dinge über andere Städte weiß. Wir vermuten, daß sie dann und wann miteinander kommunizieren. Du mußt uns jetzt entschuldigen, wir haben woanders eine Verabredung mit Freunden – kommst du hier allein zurecht?«
    Reah nickte zögernd. »Gut«, sagt Belshezar. Er schlug ihr leicht – fast herablassend – auf die Schulter und ließ sie allein im Appartement zurück. Sie sog die kühle Luft ein und beugte sich tiefer über den Rechner, um den Homunculus zu studieren. Sie konnte nicht sagen, ob es Männlein oder Weiblein war, und die Stimme erbrachte auch keinen Aufschluß darüber. Die Menschen der Vergangenheit, vor dem Exil, mußten ganz anders gewesen sein, obwohl auch sie Anhänger Jahwes und Allahs gewesen waren. »Ich weiß nichts«, sagte sie zögernd. »Das ist eine Schwäche. Ich muß lernen.«
    »Wo sollen wir beginnen?« fragte der Homunculus.
    »Ich möchte wissen, was geschah. Geschichte. Dann möchte ich eine Allgemeinbildung erhalten.«
    »Wir werden das kombinieren, ja? Hör aufmerksam zu und sieh gut hin, Schülerin.«
    Am ersten Tag hielt die Konsole in Realzeit Unterricht, was eine langwierige Angelegenheit war. Am nächsten Tag wurde Reah instruiert, die Finger in die Hochgeschwindigkeits-Transfer-Terminals zu stecken, kleine Vertiefungen über den Tastaturen. Sie spürte ein Prickeln, dann kroch vom Steißbein ausgehende Wärme das Rückgrat hoch, und ein heller Punkt erschien zwischen den Augen. Der Lernvorgang beschleunigte sich. Am dritten Tag wurde sie aufgefordert, Muster zu betrachten, die von um den Bildschirm gruppierten Spezialprojektoren generiert wurden. Am vierten Tag fühlte sie sich schon viel stärker und hatte kaum noch Ähnlichkeit mit der alten Reah.
     
    Breetod präsentierte Durragon den gezähmten Stadt-Teil zu seinem Geburtstag. Es war vor einer Woche von einer Rotte Jäger eingefangen worden, die in einem fünfzehn Meilen weiter nördlich gelegenen Gebirgszug auf Jagd waren. Es war nicht sehr elegant – es wirkte eher wie ein Schaukelpferd denn ein echtes Pferd –, aber es war groß und schnell und gutmütig. Durragon lief um es herum und musterte es ohne Begeisterung. Er bestieg es und hockte unbequem im improvisierten Sattel.
    »Wir schlagen vor, daß es den Namen Bucephalus erhält«, sagte Breetod. Nebeki lächelte. Die Leibwache und Durragons persönliche Truppen schauten gleichmütig zu, ermüdet vom Marsch.
    Der Rücken der Einheit war glatt und weich wie Leder, aber transparent und grün wie ein junger Baumstamm. Unter der Haut konfigurierten sich blaue Adern zu Rechtecken, und darunter glitzerten bleiche Metallteile und Kolloid-Knochen. Sein Kopf bestand aus einer Ansammlung von Augen auf flexiblen Stielen. Sein Maul war als Röhre ausgebildet, durch die es Wasser und Nährstoffe ansaugte. In einem Bein befand sich ein Verschluß, der jetzt mit Korrosion überzogen war; es hatte seit wenigstens zwanzig Jahren keine von der Stadt bereitete Mahlzeit mehr genossen. Sein Gang war gleichmäßig und ruhig. »Der Name gefällt mir nicht«, sagte Durragon und stieg ab. »Wozu diente es?«
    »In der Stadt, Sir?« fragte Nebeki zögernd. »Es war ein Kinderspielzeug, glaube ich.«
    »Ich will einen anderen Namen.« Er zog sich in den Schatten einer Gruppe Mulcet-Bäume zurück. Auf einem dort aufgestellten Tisch waren Karten ausgebreitet und

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