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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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und spielte über ihre ausgestreckten Arme. Hier vermittelte die Stadt eher den Eindruck einer Pflanze als eines Tieres, labte sich am Reichtum des Bodens und genoß den Wechsel der Jahreszeiten. Hier, im absoluten Zentrum, formulierte Reah eine Neudefinition des Status der Stadt.
    »Wie ein Baum«, sagte sie, »sollst du Früchte tragen und die ernähren, die in deinem Schatten leben. Ich befreie dich von aller Schuld, von den menschlichen Funktionen, denn diese waren dir unrechtmäßig zuerkannt worden. Es ist deine einzige Pflicht, das Licht und die Wärme zu genießen, frei von allen Zwängen zu arbeiten und einfach so zu sein, wie eine verständigere Natur dich erschaffen hätte und nicht wie die Menschen dich konstruiert haben. Ich befreie dich von allem!«
    Während sie herumexperimentierte, strömte die Stadt von der Hochebene hinab und hinterließ einen mehrere Kilometer durchmessenden Kreis umgepflügten Bodens, der mit toten und sterbenden Teilen übersät war.
    Ezeki und Musa kamen unter ihrer Decke hervor und schauten aus dem Versteck im Transporter, den sie sich angeeignet hatten, auf die Stadt. Sie sahen, wie der Rest der Barrikade Beine ausfuhr und sich der marschierenden Stadt anschloß.
    »Allah bewahre uns vor Zauberei«, sagte Musa und rieb seinen hijab. »Ich könnte schwören, daß Scheitan mir etwas vorgaukelt. Dies hier ist unwirklich, und ich bin von bösen Geistern besessen.«
    »Mitnichten«, meinte Ezeki und lächelte, als er wieder ins Versteck abtauchte und die Decke darüber zog. »Vor tausend Jahren war das Wissenschaft und keine Magie. Und ich wünsche mir mit aller Macht, daß diese Zeiten wiederkehren! Bei Gott und Allah, wir haben es verdient, wir haben genug gelitten!«
     
    Durragon lenkte sein Reittier zum Stadtrand, wobei die in der Nähe marschierenden Jäger einen zweiten Strom bildeten. Die Stadt überquerte die Ebene und kroch durch das Vorgebirge, woraufhin sie sich formierte und durch einen Paß in den Bergen aufstieg, genauso, wie Reah es vor zwei Monaten getan hatte. Noch immer keine Anzeichen von Schwäche.
    Durragon kochte vor Wut.
    Dann, als die Stadt die Hänge zum alten Flußbett hinabstieg, sah er seine Chance gekommen. Er brachte die von Tomoye erbeuteten Teile nach vorne und wandte sich an die Trommel.
    »Wo hat die Stadt ihren schwächsten Punkt?« fragte er.
    Die Trommel summte nur und schwieg sich aus.
    »Ich glaube dort, wo die größten Träger marschieren. Sie sind langsam. Wir können zwischen ihnen durchbrechen. Habe ich recht?«
    Die Trommel lag auf einem Karren, der von vier in der Sonnenglut schwitzenden Jägern geschoben wurde. Durragon ging längsseits und schaute auf das Gerät hinab. »Das ist ein Befehl, eine Anweisung«, ließ er leise durchblicken.
    »Du hast recht«, bestätigte die Trommel. Dann löste sie sich von der Ober- und Unterseite her auf. Durragon schaute hilflos zu, wie seine Jäger versuchten, die aufbrechenden Nahtstellen mit Erde und Gras zu stopfen, aber die Flüssigkeit und winzige glitzernde Elemente strömten aus und mit ihnen das Leben der Einheit. Die Jäger blickten ihn mit ausdruckslosen Gesichtern an. Er zuckte die Achseln. »Es hat uns alles gesagt, was wir wissen müssen.«
    Er erklomm einen den Paß überschauenden Kamm, setzte sich auf einen Felsen und stützte das Kinn in die Hand. Wieviel von der Stadt war er zu opfern bereit? Er mußte sie irgendwie aufhalten…
    »Setzt die andere Seite des Tales in Brand und dirigiert die Stadt in das Geröllfeld im Süden. Das wird sie desorganisieren und uns einen schnelleren Zugang ermöglichen.«
    Die Läufer verteilten sich, und seine Armee setzte sich in Marsch. Als er wieder sein Reittier bestieg, sah er einen Leichnam im büscheligen Gras liegen. »Wer ist das«, fragte er und zeigte darauf.
    Die Flankenläufer zuckten die Achseln. Er ritt zu dem Toten hin. Es war der Kartenzeichner. Mit plötzlicher Besorgnis übernahm er die Führung der Brandstifter und hielt sich in gebührendem Abstand von der Hauptarmee.
    Er hatte keine Angst. Es gab zu viel zu tun. Aber er konnte den sich gegen ihn aufbauenden Widerstand spüren, der den Ablauf seiner Aktionen beeinflußte, genauso wie er den Kurs der Stadt manipulierte. Es war nur natürlich, sagte er sich; jetzt stand er vor einer Bewährungsprobe.
    Die Jäger trieben die kleineren Stadt-Teile zur Öffnung des Passes und warteten. Die Brandstifter begaben sich zur entgegengesetzten Seite des Tales und entfachten die notwendigen

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