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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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verzichtet wurde, dafür aber Zorn und Verzweiflung mitschwangen.
    »Thule war die letzte Stadt, die ihre Bewohner in die Verbannung geschickt hat. In den letzten Jahren von Pearsons Amtszeit als Bürgermeister wurde sie zu einer Stadt von Häretikern. Die Räte hatten Pearson wegen seiner Häresie ins Exil geschickt – gnostische Tendenzen, vermute ich, denn die Stadt ist heute gnostisch –, und so schlug Pearson zurück, indem er Thule für jeden öffnete, der vom Rat abgelehnt wurde. In den letzten Jahren hatten die Räte sich dann gegenseitig befehdet, und die spätere Handlungsweise der Städte war im Grunde nur eine Imitation dieser Aktionen. Häresie war allgegenwärtig. Nur die Moslems bewahrten die Ruhe, zumal sie hier in der Minderheit waren. Thule akzeptierte sie alle – Neo-Nestorianer, Arier, fanatische Mystiker und natürlich auch Manichäer. Jetzt ist Thule die letzte Hoffnung, ein Umstand, der mich nicht sehr glücklich stimmt. Alle anderen Städte widersetzen sich mir bei der Ankündigung, die Exilanten zurückzubringen, aber Thule bleibt ruhig und gelassen…
    Kahn hatte Thule in vielerlei Hinsicht anders konzipiert. Ihr Ausgangsmaterial war eher insektoid als botanisch gewesen, und ihre Programmierung war – auf Ersuchen der asiatischen Juden – flexibler gestaltet und nicht auf eine spezifische religiöse Doktrin festgelegt worden. Kahn war mit dem Ergebnis nie zufrieden gewesen. Seiner Ansicht nach war Thule ein besonders prekäres Produkt, nicht unbedingt gefährlich, aber doch so instabil, daß es ihm Unbehagen verursachte. Offensichtlich hatte Pearson sich diese Instabilität zunutze gemacht.«
    In diese Betrachtungen versunken, beendete er die Wiedergabe und ging an den Anfang zurück, um die Stellen abzuhören, die ihm zuvor entgangen waren. Zunächst kam eine Pause von einigen Sekunden, und dann erschienen die Aufzeichnungen über die frühen Jahrhunderte der Städte.
    In diesem Moment interessierte er sich mehr für die Stimme als für die Details der Stadtgeschichte. Er ging noch weiter zurück, hörte die verkrampften, zornigen Worte ab und suchte dann nach Anmerkungen. Er klickte auf einen numerischen Code, ließ ihn decodieren und optisch darstellen. ›Übertragung von Thule‹, sagte der Code-Titel. ›05.01.2766.‹
    Der Sprecher hatte sich von Eulalia nach Thule abgesetzt, nachdem er nicht in der Lage gewesen war, seinen Auftrag in Throne und Eulalia auszuführen.
    Logischerweise konnte es nur eine Person geben, die von den Speichergeräten wußte, eine Person, die auch nach dem Exil noch Zutritt zu den Städten hatte.
    Der echte Robert Kahn war vor neunhundert Jahren wieder auf Gott-der- Schlachtenlenker zurückgekehrt – vierhundert Jahre nach der Initiierung des Simulacrums –, um die Dinge zu richten. Er hatte die Bifrosts in drei Städten implementiert und war mit diesem Versuch in wenigstens zwei weiteren Städten gescheitert. Und er hatte eine fragmentarische, sonderbare Aufzeichnung hinterlassen, die er an alle geheimen, noch funktionsfähigen Speichergeräte übermittelte. Vor neun Jahrhunderten waren die meisten Städte noch intakt gewesen.
    Er nahm die Finger aus den Vertiefungen und schloß die Augen. Jemand rief seinen Namen. In den paar Sekunden, die er für den Wiedereintritt in die Außenwelt benötigte, hörte er Schritte, einen Wortwechsel und dann eine hohe, brüchige Stimme. Der Gedanke, die Augen zu öffnen und sich selbst bei dem Versuch zu begegnen, Gott-der- Schlachtenlenker zu retten, betäubte ihn für einen Moment…
    Arthur hatte seinen Namen gerufen und war an den Rand des Eingangs getreten.
    Im Halbkreis stand ein alter Mann, dessen Haut so braun wie Holz war; er trug nichts außer einer weißen kurzen Hose. In der einen Hand hielt er einen transparenten, jadegrünen Stock, auf den er sich nun stützte und über Arthurs Stimme hinweg schrie: »Wer, zum Teufel, bist du? Wie bist du in meine Stadt gekommen?«
    »Ich bin Robert Kahn.«
    Der alte Mann lächelte freudlos und schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht, daß du Robert Kahn bist.«
    Kahn trat vom Podest hinunter. »Bist du ein Mensch?«
    Der alte Mann antwortete nicht.
    »Ich bin der Architekt«, insistierte Kahn. »Mein Wort ist…«
    »Dieser Unsinn verfängt bei mir nicht. Ich bin kein Stadt-Teil und kann auch nicht über Code gesteuert werden. Mir ist schon klar, wie du in die Stadt gelangt bist, du Heuchler. Aber wer ist das?« Er deutete auf Arthur.
    »Sein Name ist Sam Arthur

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