Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
noch intensiver. Als Arthur zur gegenüberliegenden Seite des Schachtes hinüberschaute, erblickte er eine flache Grasfläche. Intarsienartiges Licht, das aus diesem Abschnitt drang, sandte Strahlen in die Höhe, die sich zunächst krümmten, dann auffächerten und den ganzen Sektor in weiches, aber helles Licht tauchten. Sie hingegen befanden sich am Rand eines Gehwegs. Glühende Lichtstreifen begrenzten den Pfad und dienten als Leitsystem durch einen Wald mit hohen Pinien und Espen.
    »Hier entlang, bitte«, ertönte eine Stimme.
    »Wer ist das?« fragte Arthur Kahn.
    »Wir sind die Assistenten von Matthäus«, identifizierte sich die Stimme. Der Akzent war zwar ziemlich fremdartig, aber man konnte ihn noch verstehen.
    »Welche Funktion haben die ›Assistenten von Matthäus‹?« erkundigte Kahn sich.
    »Wir stehen unter dem Befehl von Matthäus aus Reah.«
    »Wer ist der Architekt?«
    »Du bist der Erbauer.«
    »Wo ist die Agentur, die ich an meiner Statt zurückgelassen habe?« fragte Kahn.
    »Diese Funktion ist integriert worden. Matthäus hat alle Funktionen der Stadt reorganisiert.«
    Sie folgten dem Verlauf der den Pfad säumenden Lichtmarkierungen. Durch die Bäume, am Rande des Turmes, erblickten sie ein in ein helles, warmes Glühen eingebettetes Gebäude. Dabei handelte es sich um einen etwa zehn Meter hohen und genauso breiten Zylinder, der mit einer numerischen 2 markiert war. Unter der 2 befand sich ein kleines Omega.
    »Das ist mir alles fremd«, sagte Kahn. »Alles hat sich verändert. Die Stadt hat nur noch ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe, selbst unter Berücksichtigung der Enklave.«
    »Hier entlang, bitte«, sagte die Stimme erneut. Die Leuchtmarken führten zum Gebäude hinauf, unterhalb des W. Eine kreisförmige Tür glitt zur Seite. Kahn schaute in das abgedunkelte Innere. »Ist das der Sitz der Stadtverwaltung?«
    »Es ist eine rekonstruierte Sektion«, erläuterte die Stimme.
    »Wo ist der Rest? Das hier ist zu klein.«
    »Matthäus benötigt die Stadtverwaltung nicht mehr für seine Arbeit. Ihre Funktionen sind integriert worden.«
    Kahn betrat die Kammer, und die Beleuchtung wurde aktiviert. Arthur folgte ihm auf dem Fuße. Inmitten eines nüchternen Raumes befand sich ein auf einem Podest montierter großer Stuhl. Die Armlehnen dieses Stuhles waren mit silberfarbenen Erhöhungen und kleinen Vertiefungen bedeckt. Eine Frau saß reglos auf dem Stuhl. Sie hatte langes, graues Haar und einen entspannten Gesichtsausdruck. Ihr Gewand schimmerte wie ein Regenbogen. Sie schien sie mit ihrem Blick zu fixieren, aber als Kahn sich bewegte, erkannte er, daß die Frau nicht sie, sondern die Tür mit einem ansatzweisen Lächeln anstarrte. Arthur blieb mit auf dem Rücken verschränkten Armen an der Tür stehen und erwiderte den Blick der Frau.
    Die gesamte Gestalt war transparent, wie eine Abbildung eines städtischen Fremdenführers oder die Projektion eines Lehrers.
    »Sie ist nicht real, nicht wahr?« fragte Arthur.
    »Nein.«
    Kahn umrundete den Stuhl. Zumindest war dieser Einrichtungsgegenstand vertraut und unverändert. Die Leere der Kammer beunruhigte ihn. Früher war das Kontrollzentrum der Stadtverwaltung mit Bildschirmen, Monitoren und Kommunikationsanlagen bestückt gewesen, die alle der Koordinierung der städtischen Aktivitäten gedient hatten.
    Als er wieder in die Visierlinie der Frau trat, stellte er fest, daß ein Lichtpunkt auf ihrer Stirn erschienen war. Er wurde zusehends größer. Die Figur erhob sich, erfüllte sich mit Helligkeit wie ein Kessel mit Wasser gefüllt wird, und verwandelte sich in eine Lichtgestalt. Sie verschwand. Ein schwacher Duft nach Rosen lag in der Luft.
    Arthur stieß einen schaudernden Seufzer aus. »Ich…«
    »Schsch«, machte Kahn. Er setzte sich auf den Stuhl, legte die Finger in die Vertiefungen und schaute dann in die Strahlen der Netzhaut-Projektoren, die an einer Armlehne angebracht waren.
    Er hatte den Eindruck, in einen tiefen Abgrund zu stürzen, dessen Boden diffus glühte. Die Leere füllte sich mit einer Wesenheit.
    Du bist der Architekt?
    »Ja«, bestätigte er.
    Du bist früher schon hier gewesen, nicht in dieser Stadt, aber auf Gott-der- Schlachtenlenker.
    »Ja, vor dreizehnhundert Jahren.«
    Nein… Aber die Stimme brach ab. Es war eine Frauenstimme, jedoch nicht sofort als solche zu erkennen. Kahn konnte weitere bekannte Obertöne heraushören – die überlagerten Stimmen der alten Stadt, perfekt synthetisiert, nicht voneinander

Weitere Kostenlose Bücher