Die Macht der Steine
Daniel.«
»Und die Cyborgs hast du wohl gleich mitgebracht. Nun, darüber habe ich nicht zu befinden. Mutter wird sich darum kümmern.« Die Art, wie er das Wort ›Mutter‹ betonte, war leicht ätzend. Er hob die Hand und kratzte sich an der Brust. »Entschuldige mein Erscheinen«, sagte er mit leiser und brüchiger Stimme. »Ich habe schon seit fünfundzwanzig Jahren keinen so engen Kontakt mehr zu Menschen gehabt. Aber du bist doch gar kein richtiger Mensch, nicht wahr?«
»Ich bin ein Simulacrum.«
»Ich habe auch eines erwartet. Du siehst genauso aus. Und die Stadt mußte natürlich deinen Anweisungen Folge leisten und dir Einlaß gewähren. Es hat sich viel verändert, seit du zum letztenmal hier warst. Weißt du das?«
»Ich sehe es.«
»Warum bist du jetzt gekommen?«
Kahn sah keinen Grund, Informationen zurückzuhalten. »Eigentlich wollte ich schon vor langer Zeit zurückkehren. Ich wollte mein Werk inspizieren, nachsehen, ob auch alles richtig funktioniert.«
Der alte Mann preßte die Lippen zusammen und stieß ein kurzes, bellendes Gelächter aus.
»Vielleicht hätte ich etwas tun können«, fuhr Kahn fort, wobei er sich unbehaglich fühlte unter dem starren Blick des alten Mannes. »Ich sehe, daß es hier Probleme gegeben hat.«
»Das dürfte wohl die größte Untertreibung schlechthin sein. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, die Resultate deiner Sabotage zu beseitigen. Weißt du, wer ich bin?«
»Ich glaube schon.«
»Matthäus. Sohn von Reah.«
»Ich verstehe.«
Für einen Moment herrschte Schweigen. Ungeachtet seiner Renitenz wirkte Matthäus mehr als nur ein wenig nervös. »Jetzt, wo ich hier bin«, sagte Kahn, »könnten wir vielleicht…«
»Nichts davon ergibt irgendeinen Sinn!« schrie Matthäus. »Du hast kein Recht, immer wieder zu erscheinen. Überhaupt kein Recht.« Er schien zu schrumpfen, die Brust fiel ein, er ließ die Schultern und den Kopf hängen.
»Bist du der Betreiber dieser Stadt, oder hast du irgendwelche Kontrolle über sie?« fragte Kahn.
Der alte Mann nickte.
»Dann kannst du mir helfen. Wir müssen alle noch lebenden Städte organisieren, sie umprogrammieren und neue Städte bauen. Ich werde sicherlich Hilfe benötigen. Einige Funktionen dieser Stadt sind geändert worden…«
»Ich habe sie deaktiviert«, gestand Matthäus und straffte sich. Er fuchtelte mit seinem Stock vor Kahn herum. »Das Bewußtsein von Wiederauferstehung ist reorganisiert worden. Ich kontrolliere alles außer meiner Stimme und meiner Erscheinung. Abgesehen natürlich von dem, das in Reahs Ressort fällt. Und in den letzten fünfundzwanzig Jahren hat sie sogar einige Kompetenzen an mich abgetreten.«
»Wo ist Reah?« fragte Arthur. Matthäus schaute mit einer Mischung aus Verachtung und Furcht auf ihn herab.
»Sie ist schon lange tot. In der Stadt gespeichert. Was mir nach meinem Tod wohl auch widerfährt. Dies waren ihre Räume. Tritt vom Stuhl zurück… du hast kein Recht, dort zu sitzen.«
»Wie lange bist du schon hier?« fragte Kahn.
»Ein Jahrhundert. Jedes einzelne Jahr davon habe ich versucht, das zu richten, was du zerstört hast. Deine kleinen Zeitbomben im Bewußtsein der Stadt.«
»Hör zu, Matthäus…«
»Vor fünfundzwanzig Jahren habe ich die Stadt für Menschen geschlossen.« Matthäus trat einen Schritt vor. »Fünfundsiebzig Jahre lang gab es keine Ruhe, nur Kinder, Schulen, Krankenhäuser, Ignoranz und Konfusion. Keinen Frieden. Jetzt habe ich mich an das Alleinsein gewöhnt. Nicht daß sie jemals meine richtige Gestalt gesehen hätten. Ich habe mich zurückgezogen, als ich älter wurde. Weißt du, ich sympathisiere mit dir, ich hasse die Menschen auf diesem Planeten auch.« Kahn zuckte zusammen. »Es ist nicht leicht, sie zu lieben. Aber du hättest keine Sabotage betreiben müssen!«
»Ich habe überhaupt nichts sabotiert«, wehrte Kahn sich und versuchte seinen Zorn zu unterdrücken. »Ich habe die Menschen nie gehaßt.«
»Wie adäquat.« Matthäus wandte sich von ihm ab. »Du bist vor neunhundert Jahren zurückgekommen und hast versucht, deine Sünden wiedergutzumachen. Du hast versagt. Und nun schickst du einen Geist, um eine Welt zu inspizieren, die voller anderer Geister ist… den Geistern toter Träume. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie sie sich fühlten, die Vertriebenen? Als die Städte sie verjagt hatten? Wie sehr sie sich als Sünder fühlten und sich danach sehnten, wieder eingelassen zu werden? Ein Jahrtausend lang gab es
Weitere Kostenlose Bücher