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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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keinen Fortschritt, nur Schuld. Aber es waren deine Städte, die unwürdig waren. Ich bin in einer aufgewachsen. Ich weiß Bescheid. Große, überzüchtete träumende Monster. Schöne Monster. Die einzige Art, meinem Volk Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist, die Städte eines natürlichen Todes sterben zu lassen und sie nicht wieder zu erneuern. Und du wirst mir mein Volk nicht nehmen! Du hast es schon einmal versucht, als ich noch nicht geboren war, und du bist gescheitert. Versuche es nicht wieder.« Er drehte sich um und ging auf die Tür zu.
    »Ich brauche mehr Informationen«, sagte Kahn nur. Sie folgten ihm nach draußen und den Pfad entlang. »Einrichtungen, die wissen, was geschehen ist.«
    »Nicht verfügbar«, murmelte Matthäus.
    »Dann müssen sie bereitgestellt werden«, forderte Kahn vor Wut kochend.
    »Ach ja?« Matthäus lächelte ihn über die Schulter an. »Ich kann dir alles sagen, was du wissen möchtest.«
    »Das bezweifele ich«, erwiderte Kahn. Dann blieben er und Arthur stehen. Der alte Mann war verschwunden. Sie standen auf dem erhellten Pfad. Eines nach dem anderen erloschen die Lichter. Dann blieb ihnen nur noch das Licht der Sterne, um sich zu orientieren.
    »Ist er real?« fragte Arthur leise in der Dunkelheit.
    »Ja«, bestätigte Kahn.
    »Er ist wohl nicht sehr kooperativ.« Arthur schniefte.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob wir von ihm überhaupt Kooperationsbereitschaft erwarten sollten. Schließlich intervenieren wir in seinem Spiel.«
    »Was sollen wir dann tun?«
    »Du darfst nicht vergessen, daß ich diese Stadt konstruiert habe. Ich kenne sie vielleicht besser als Matthäus.« Kahns Ton war trotzig. »Gib mir die Hand.«
    Sie gingen langsam den Pfad entlang, wobei ihre Augen sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnten, bis sie die Konturen des Schachtes sehen konnten. Ein Gleiter erwartete sie, dessen Positionslampen schwach glühten.
    »Scheint so, als ob nur unsere Ebene verdunkelt wurde«, stellte Kahn fest. »Ich glaube nicht, daß Matthäus uns so schnell eine Unterkunft beschaffen kann. Du suchst uns am besten einen Platz, an dem wir bleiben können. Der Gleiter sollte eigentlich in der Lage sein, dir zu sagen, wo du suchen mußt. Falls nicht, komm wieder rauf; ich werde hier auf dich warten.«
    Arthur wollte schon Einspruch erheben, aber Kahn schob ihn energisch in den Gleiter und verließ das Fahrzeug. Der Gleiter begann seinen spiralförmigen Abstieg.
    »Ich verstehe doch gar nichts von den Poleis!« rief Arthur aus dem Fluggerät.
    »Du stehst unter meinem Schutz«, versicherte Kahn. »Außerdem bezweifele ich, daß die Stadt dir etwas zufügen würde, selbst wenn das nicht der Fall wäre.«
    Kahn wandte sich vom Schacht ab und folgte dem Pfad ein Stück in den Wald. Dann blieb er stehen und setzte sich auf einen Grashügel. Aus einem Reflex heraus fuhr er sich mit den Händen über das Gesicht. Er bedauerte es jetzt, Arthur so schroff weggeschickt zu haben, aber er mußte einige Zeit allein sein und das überdenken, was er vom Band erfahren hatte.
    Er war offensichtlich kein Übermensch; das Simulacrum konnte in Konfusion geraten, mentale Erschöpfung, wenn nicht gar Müdigkeit spüren und von einem Zustand annähernder Verzweiflung befallen werden. Seit nunmehr fast zwei Wochen hatte er eine Niederlage nach der anderen wegstecken müssen – und nun, im Angesicht der nächsten, wünschte er sich, sein Körper könne zittern, Übelkeit empfinden, auf irgendeine Art seine Emotionen reflektieren. Aber seine Hände waren ruhig, und natürlich hatte er keinen Magen in diesem Sinne; er war so allein, daß er nicht einmal sich selbst als Bezugspunkt hatte.
    Er schloß die Augen und ließ den Gedanken für kurze Zeit freien Lauf. In seinem organischen Körper hatte er nie viel für Abstraktionen übrig gehabt; die Religionen von Gott-der- Schlachtenlenker waren ihm immer allesamt miserabel erschienen, weil sie auf Abstraktionen basierten, und übernatürlichen dazu. Pearsons Unterweisung in der Kaballah hatte ihn auf eine perverse Weise fasziniert, aber er hatte diese Lehre nie verinnerlicht; daß sie bei Jeshua auf fruchtbaren Boden gefallen war, war eine Ironie, um es milde auszudrücken. Als Simulacrum konnte er indessen erstaunlich leicht mit Abstraktionen umgehen. Wenn er die Augen schloß, glich er, unbelastet von einem fleischlichen Körper, dem Bewußtsein der Stadt, das durch ComNet strömte, frei und fließend. Wenn ihm das schon früher bewußt gewesen wäre,

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