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Die Macht des Amuletts

Die Macht des Amuletts

Titel: Die Macht des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Fisher
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über den winzigen grauen Turm einer versunkenen Kirche galoppierte. »Natürlich träumst du.« Rowan schaute mit scharfem Blick voraus, die kleinen Monde schaukelten an ihren Ohren. »Das Leben ist ein Traum, Mick. Das ganze Leben.« Das Pferd lief schneller, Sprühwasser spritzte hoch. Plötzlich sammelte sich Meeresnebel um sie, eine kalte Feuchtigkeit, die sich auf Micks Haar niederschlug und ihn frösteln ließ. Als sie hindurchrasten, sah er flüchtig Dinge im Grau: einen Falken, der eine Schwalbe jagte, der kleine gewandte Vogel flitzte an seiner Schulter vorbei; und wenig später stürzte ein Hase mit schreckgeweiteten Augen aus dem schimmernden Nebel und war sekundenschnell verschwunden, hinter ihm ein jaulender Windhund, der fast über die Beine des Pferdes fiel. Rowan sagte nichts; er fragte nicht. Später hörte er über sich ein seltsames rhythmisches Knarren und schaute hinauf in die Wolken; vier Schwäne flogen hoch oben, mit glänzenden silbernen Ketten zu Paaren gebunden, und waren gleich darauf in Nebelfetzen verschwunden. Rowan sah einmal hinauf, dann trieb sie das Pferd an, die Glocken an seinem Geschirr bimmelten bei ihrem schnellen Ritt.
    Als Mick aus den Wolken brach, stockte ihm der Atem vor Entzücken, denn jetzt war das Meer eine endlose Ebene mit prächtigen Blumen, rot und golden und blau, und weit im Osten lenkte ein hellhaariger Mann eine feurige Kutsche darüber, er peitschte zwei glänzende Rappen zu einem großen Steinturm, dessen Wimpel im Wind flatterten. Rowan hob die Hand und winkte und der Mann winkte zurück, er rief etwas, seine langen Haare wehten im Meerwind. »Wer war das?«, fragte Mick. Rowan lachte nur. Dann schrie sie: »Schau nach vorn!«Über der Ebene sah er jetzt eine aufsteigende Insel. Ihre hohen Gipfel leuchteten grün in der Sonne; selbst von hier aus erkannte er, dass sie von Eichenwäldern bedeckt waren, er hörte den Gesang zahlloser Vögel. Die lieblichen Blumen wuchsen spärlicher, bis das Pferd wieder über Wasser galoppierte; hier gab es Strände mit gelbem Sand, Buchten und Lagunen und auf der Klippe ein großes Haus mit Mauern aus merkwürdigem, schimmerndem Metall und purpurnen Seidenvorhängen, die sich an den Fenstern blähten. »Mein Haus«, rief Rowan triumphierend. »Ich sehe es! Aber wer ist das am Strand?« »Am Strand? Wo?« Es klang aufgeschreckt. »Bei dieser Höhle. Da wartet jemand auf uns.« Als sie näher kamen, sah er sie deutlich. Die blonde Frau trug ein gelbes Sommerkleid wie auf dem Foto auf dem Schreibtisch seines Vaters. Eine Sekunde lang hatte er gedacht, es sei Sandy, aber jetzt, als seine Hände vor Angst und bitterer, herzzerreißender Sehnsucht brannten, wusste er, dass es seine Mutter war, seine richtige Mutter, an die er sich nie erinnern konnte; sie war gestorben, als er kaum zwei war.
    »Nein!« Mit zornigem Zischen hielt Rowan das Pferd an; es wieherte, kam schlitternd zum Stehen und spritzte so viel Wasser über sie, dass Micks Gesicht ganz nass wurde. Seine Mutter saß auf einem Fels und schaute nach ihm aus. Sie war ruhig, lächelte noch nicht einmal. »Träume ich immer noch?«, flüsterte er ängstlich. Niemand antwortete ihm.
    Er öffnete die Augen. Seine Lippen schmeckten salzig, sein durchweichtes Hemd war halb getrocknet. Langsam setzte er sich auf und wusste, dass das Jahrmarktfeld dunkel war. Er fühlte sich steif und durchfroren. Stunden waren vergangen.
     
    Von den Wurzeln der Eiche schaute einer der wölfischen Zwillinge vom Kartenspiel auf. »Wird auch Zeit«, knurrte er verächtlich.
    »Aufnahme!«, rief der Regisseur.
    Die Kamera schwenkte über das Eilderfeld, über die weiten flachen Kornkreise, die verflochtenen Bögen, die große Spirale in der Mitte. Dann zoomte sie auf einen Mann im grauen Anzug mit gestreifter Krawatte. »Auf dem großen Lammasjahrmarkt in Stokesey gibt es in diesem Jahr immer wieder Kornkreise«, sagte er schnell in die Kamera. »Vor zwei Tagen, nachdem das Unwetter hier viel Schaden angerichtet hat, wurde dieser, der bisher größte entdeckt. Handelt es sich wirklich um einen dummen Streich, und wenn ja, welcher Betrüger könnte ihn in jener stürmischen Nacht begangen haben? Oder ist es eine natürliche Erscheinungsform? Darüber habe ich mit Dr. Martin Donahue von der meteorologischen Abteilung an der Universität Southampton gesprochen. Wie ist seiner Meinung nach dieses rätselhafte Phänomen entstanden?« »Okay. Phänomen – ich weiß nicht recht.« Der Regisseur löste

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