Die Macht des Feuers
war, nicht verdorben durch Drogen oder Alkohol wie das so vieler anderer Menschen in dieser trostlosen Epoche. Doch es war zumindest Nahrung, also nahm er sich, was er brauchte.
Wie immer.
Als er die Frau nach einer knappen halben Minute komplett ausgesaugt hatte, schleuderte er ihren leblosen Körper achtlos beiseite und wandte sich dem Mann zu, der stöhnend zwischen zwei Grab -steinen kauerte und sich die schmerzende Brust hielt. Er schien kaum zu registrieren, was um ihn herum vorging. Der Schmerz betäubte ihn.
Er bekam nicht einmal mit, wie seine Geliebte starb ...
Obwohl der Mann sich verzweifelt zu wehren versuchte, als Nod ihn packte, hatte der Mönch dennoch keine Schwierigkeiten, ihm seine Hauer in den Hals zu schlagen. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen und war mit dem Kerl fertig, als die ersten Sirenen der nahenden Fahrzeuge in die Straße einbogen.
Der junge Mann hing reglos und ungelenk wie ein nasser Sandsack in seinem Griff. Mit einem gleichgültigen Seufzen packte Nod den Kopf des Kerls und drehte sein Gesicht mit einem wütenden Ruck auf den Rücken, damit er nicht als Dienerkreatur erwachte. Als das Genick des Burschen brach, klang es wie knackendes Eis auf einem zugefrorenen See, hart und endgültig.
Zufrieden wuchtete er die Leiche hoch und schleuderte sie mit der Leichtigkeit, mit der ein normaler Mensch einen Ball werfen würde, über vierzig Meter weit in die lodernden Flammen der St. Catheri-ne's Memorial Church, die inzwischen teilweise eingestürzt war. Schließlich war es nie gut, allzu deutliche Spuren zu hinterlassen.
Dann ging er zu der toten Frau zurück, die mit angewinkelten Beinen, als würde sie auf ihren Liebhaber warten, zwischen zwei Gräbern im Schnee lag. Nod hob die Leiche auf - und wandte ruckartig seinen Kopf, als er unweit der Kirche das Knirschen von Reifen auf dem Kies des Vorplatzes hörte, während die Sirenen gleichzeitig verstummten. Aufgeregte Stimmen wurden laut. Nicht mehr lange, und es würde auf dem Friedhof zugehen wie in einem Tollhaus.
Nod stieß ein wütendes Knurren aus.
Er mußte verschwinden, und zwar schnell!
Er verzichtete darauf, der Frau das Rückgrat zu brechen. Statt dessen warf er sie wie ihren Geliebten in die gierigen Flammen, die an den Ruinen der Kirche emporleckten und alles verzehrten, was sich ihnen anbot. Das Feuer würde erledigen, wozu er jetzt nicht die Zeit hatte, dessen war sich der Mönch gewiß. Denn die Macht des Feuers war groß.
Größer als die der Menschen.
Größer als die der Vampire.
Größer sogar als die Gottes, des Allmächtigen!
*
Es war der Schmerz, der Carola aus der Welt der Toten in das Reich der Untoten hinüberbegleitete. Der Schmerz, den die Flammen, die sie umgaben, ihr zufügten, als sie begannen, die Frau mit derselben gierigen Gleichgültigkeit zu verzehren, mit der sie sich am Mauerwerk und Gebälk der Kirche gütlich getan hatten.
Als die junge Frau, die einmal Carola Wilson gewesen war, aus dem Reich der Toten zurückkehrte, stand sie lichterloh in Flammen. Ihre Kleidung und ihr Haar brannten. Flammenzungen leckten über ihren Körper und bildeten Blasen auf der Haut.
Blind vor Schmerz und geblendet von der Hitze und dem Feuer rappelte Carola sich inmitten des lodernden Infernos mühsam auf. Sie spürte, wie ihre Wimpern und Brauen verkohlten, und schrie ihre Pein lauthals hinaus. Sie taumelte durch die Flammen, die überall um sie herum waren, rotgolden und tödlich, tastete mit den Händen nach dem Weg, weil sie fast nichts mehr sehen konnte, während die letzten Reste ihrer Kleidung zu Asche verkohlten.
Die Dienerkreatur, zu der Carola geworden war, spürte die Flammen in ihren Körper drangen. Sie roch den widerwärtigen Gestank ihres eigenen verbrennenden Fleisches und stolperte benommen weiter. Und das, obwohl sie längst tot war .
Doch auch wenn ihr früher niemals besonders viel an ihrem Leben gelegen hatte, jetzt kämpfte Carola darum, dieser Flammenhölle zu entkommen.
Denn sie wollte weiterexistieren!
Um jeden Preis!
Die Flammen rings um Carola schlugen höher, und die Hitze nahm womöglich noch zu. Das Feuer vernichtete die Vampirin.
Gnadenlos .
Dann stolperte Carola über ein Hindernis, geriet ins Straucheln, kippte - und stürzte hin! Sie sah nicht mehr, wohin sie fiel, weil die Bewußtlosigkeit in diesem Moment wie eine gewaltige schwarze Woge über ihr zusammenschlug. Aber sie war sich sicher, daß dies das Ende war.
Das endgültige
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