Die Macht des Feuers
die Welt vom Geschlecht der Vampire, die wie die Werwölfe vom Anbeginn der Zeit neben den Menschen lebten, zu befreien. Doch auch wenn ihr die Seuche, der »Zorn Gottes«, eine Menge Arbeit abnahm, war die Halbvampirin weit davon entfernt, die Hände in aller Ruhe in den Schloß legen zu können.
Denn die Sippenoberhäupter waren als Seuchenträger gegen das Virus immun, das in den Infizierten einen unbändigen Durst nach Blut heraufbeschwor, den sie jedoch nicht löschen konnten, so daß sie rapide alterten, wenn sich die Natur das zurückholte, was sie ihr über die Jahrhunderte hinweg abgetrotzt hatten.
Das brachte es mit sich, daß Lilith nicht mehr wie früher Heerscharen von Blutsaugern gegen sich wußte, sondern die vampirische Elite, die Sippenführer, die durch ihr Alter, ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Macht eine Gefährlichkeit besaßen, der Lilith wenig entgegenzusetzen hatte.
Doch sie hatte den ungleichen Kampf aufgenommen, obwohl sie wußte, daß ihre Chancen schlecht standen, und sie würde ihn zu Ende bringen. Sie würde weitermachen, bis kein Vampir mehr das Angesicht der Erde besudelte - oder bis es ihren übermächtigen Widersachern gelang, sie aus dem Weg zu räumen.
Draußen vor dem Fenster kamen die Lichter der Stadt immer näher. Mittlerweile konnte Lilith einzelne Häuser ausmachen, Straßen, Parks, Plätze, die mit jeder Sekunde größer wurden. Beiläufig fragte die schwarzhaarige Halbvampirin sich, wo sich inmitten dieses Molochs von einer Stadt das West Medical Center befand, in dem sich die rätselhafte Unbekannte dem Zeitungsbericht nach aufhielt.
Aber das würde sie schon herausfinden, wenn das Flugzeug erst einmal gelandet war. Gedankenverloren rechnete sie sich aus, daß sie, wenn alles so lief, wie sie es sich vorstellte - rein ins Krankenhaus, die Frau suchen, ihr das Genick brechen, raus aus dem Krankenhaus -, möglicherweise bereits mit der nächsten Maschine wieder von hier verschwinden konnte. Ein bißchen erschrak sie selbst, als ihr klar wurde, daß ihre »Verabredung« kaum mehr für sie war als ein geschäftlicher Termin.
Doch bevor sie der Unbekannten den Hals umdrehte, mußte sie in Erfahrung bringen, ob es sich bei ihr um eine echte Vampirin oder nur um eine Dienerkreatur handelte. Auch wenn letzteres zutraf, war ihre Reise nicht umsonst gewesen, denn dann mußte es jemanden geben, der sie dazu gemacht hatte.
Es konnte nie schaden, seine wirklichen Feinde zu kennen - vor allem dann nicht, wenn man wie Lilith Eden ganz oben auf deren Abschußliste stand ...
*
Das West Medical Center befand sich im Stadtteil Willow Brook, unweit der berühmten Watts Towers. Es war ein fünfstöckiges Gebäude, dessen rote Backsteinfassade im Laufe der Jahre von Autoabgasen und Smog dunkel gefärbt worden war. Die meisten Fenster in den oberen Etagen waren dunkel - vermutlich waren dort die Stationen für die Patienten, die zu dieser relativ fortgeschrittenen Stunde - es war Viertel vor elf - schon in Morpheus' Armen weilten.
Im Erdgeschoß dagegen war alles hell erleuchtet. Hinter den Fenstern der Notaufnahme und des Empfangs herrschte rege Betriebsamkeit, wie Lilith erkannte, als sie eine halbe Stunde, nachdem ihr Flug gelandet war, aus dem Yellow Cab stieg, das sie am Flugplatz genommen hatte. Mit weißen und grünen Kitteln gekleidete Pfleger, Schwestern und Ärzte huschten umher, um sich um die Patienten zu kümmern, die von den Ambulanzwagen eingeliefert wurden.
Lilith drückte dem Fahrer des Taxis durch die heruntergekurbelte Seitenscheibe einen Zehner in die Hand. Dann ging sie den breiten Betonweg entlang, der zum Haupteingang der Klinik führte. Sie wußte aus dem Artikel, daß die Unbekannte irgendwo im Untergeschoß des Gebäudes untergebracht war. Wo genau, hoffte sie am Empfang zu erfahren.
Mit einem Zischen glitt die Glastür automatisch beiseite, als Lilith sich näherte. Sie trat ein und sah sich um.
Rechts von ihr befand sich die Rezeption. Links ging es zu den Aufzügen und in den eigentlichen Klinikbereich. Eine Reihe Typen, die irgendwie verdammt nach Reportern aussahen, fläzten sich auf grellbunten Plastikstühlen, die nahe des Empfangs an der Wand standen. Sofern nicht gerade irgendein Hollywood-Star zugegen war, der einen Unfall gebaut hatte oder sich hier die Gallensteine entfernen ließ, warteten die Kerle vermutlich auf neue Sensationen bezüglich der »lebenden Toten«.
Verdammte Aasgeier .
Lilith wandte sich der Rezeption zu. Hinter dem
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