Die Macht des Feuers
eine Ewigkeit her zu sein - gestanden und über das ruhig in der Abenddämmerung liegende Land geblickt hatte. Er wußte nicht, was er tun sollte, wie es ihm gelingen sollte, den Klingen seiner Häscher zu entkommen, die nun, da sie ihn in der Falle wußten, langsamer wurden.
Nod wich immer weiter vor der Meute zurück, bis er mit dem Rücken, der trotz der tiefen Wunden, die Baglabar und die anderen Männer ihm unten in der Inneren Halle zugefügt hatten, nicht im Geringsten mehr schmerzte, gegen den Stein der halbhohen Zinnen stieß.
In diesem Moment wurde Nod klar, daß er verloren war.
Hinter ihm der gähnende Abgrund. Vor ihm die Mitglieder der Bruderschaft, die sich ihm mit gewetzten Messern näherten, bereit, sich jederzeit auf ihn zu stürzen, wenn sich ihnen eine günstige Gelegenheit dazu bot.
Nod zog sich noch weiter zurück, bis auf den Platz zwischen zwei der aufragenden Zinnen. Der Aufwind von jenseits der Mauern griff nach ihm und zerrte an seiner Kutte. Seine Finger krallten sich in den Stein, bis die Nägel brachen.
Einer der Mönche trat vor. Es war Luciano, mit dem er in den wenigen Stunden, die des festgelegte Tagesplan ihnen ließ, oftmals Schach gespielt hatte.
»Komm zu mir, Nod«, sagte er leise. »Du weißt, daß es keinen Ausweg gibt. Was die Gesetzte der Illuminati für diesen Fall vorschreiben. Laß es mich als deinen Freund tun.«
»Wenn du mir einen Gefallen erweisen willst«, entgegnete Nod, »dann schneide dir doch selbst die Kehle durch. Ich kann dein dummes Gesicht nicht mehr sehen.«
Luciano erstarrte, während die anderen mit wütenden Rufen auf die höhnischen Worte antworteten und näherrückten.
Instinktiv wich Nod noch weiter zurück - aber da war kein Grund mehr, auf dem er sich halten konnte. Die Kante des Zinnen-Innenraums fiel auf den letzten Metern schräg ab. Als Nod darauf trat, geriet er aus dem Gleichgewicht, knickte unvermittelt in den Knien ein. Panisch mit den Armen rudernd, kippte er nach hinten.
Wie ein Stein stürzte Antonio Perez del Caz in die Tiefe!
*
Ein heiserer, gellender Schrei begleitete Nod auf dem Weg in die Tiefe. Er begriff kaum, daß er selbst es war, der ihn ausstieß. Er spürte, wie der Wind an seiner Kutte und seinem Haar zerrte, und er begriff, daß er nur noch wenige Augenblicke zu leben hatte, bevor er unten auf dem Fels aufschlug.
Über sich konnte er die Zinnen von Monte Cargano sehen, an denen jetzt die Gesichter der anderen Mönche auftauchten, die ihm nachstarrten, und den Mond, der bleich und rund wie das Antlitz eines toten Mannes am samtschwarzen Nachthimmel stand, und irgendwie erfüllte ihn der Anblick des Vollmonds mit einer Ruhe und Gelassenheit, die schon beinahe an Gleichgültigkeit grenzte. Denn mit einemmal begriff er, daß er vorhin recht gehabt hatte: Es war nicht sein Schicksal, heute und hier zu sterben.
Er würde nicht sterben!
Erfüllt von dieser Gewißheit verwandelte sich sein Schrei in bellendes Gelächter, als er sich in der Luft drehte, so daß er erkennen konnte, wie der felsige Boden mit jedem Herzschlag näherkam, und die Arme ausbreitete wie ein Vogel. Er genoß das Gefühl des Windes auf seinem erhitzten Gesicht. Gleichzeitig spürte er, wie mit ihm eine Veränderung vorging, wie ein sonderbares Kribbeln sich in seinen Gliedern ausbreitete.
Obwohl er im Gegensatz zu den Mönchen der Illuminati nicht sehen konnte, was mit ihm geschah, wußte er dennoch, daß er sich verwandelte. Daß sein Leib, erfüllt und beherrscht von der Macht des Magmaschlüssels, eine Metamorphose durchmachte, wie eine Raupe, die zu einem Schmetterling wurde.
Nod genoß den Schmerz, den seine Knochen verursachten, als sie sich grotesk bogen, streckten und verkürzten, sich drehten und krümmten, und verwandelte sich unter den fassungslosen Blicken des Obersten Baglabar und der übrigen Mönchen in eine Kreatur der Nacht.
Verwandelte sich - in eine große Fledermaus!
Kurz bevor Nod auf dem Boden aufschlagen würde, war die Verwandlung abgeschlossen, und als er probeweise mit seinen gewaltigen lederartigen Schwingen schlug, erfaßte ihn ein Windstoß und trug ihn wieder empor, hinauf zu den Sternen, die wie ein Meer aus Diamanten das dunkle Firmament bedeckten.
Nod riß sein Maul auf, das vor nadelspitzen Zähnen starrte, und stieß ein triumphierendes Kreischen aus, das von den Felswänden widerhallte. Er ließ sich vom Nachtwind emportragen zu den Zinnen von Monte Cargano, schloß wie ein Pfeil über das Kloster hinweg,
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