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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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jetzt, wo er einen Verdächtigen identifiziert hatte, als nächstes gezwungen werden würde –«
    Â»Nina«, unterbricht Fisher mich. Frage beantworten , ermahne ich mich selbst. Und den Mund halten .
    Brown lächelt. »Euer Ehren, sie sollte ihre Antwort zu Ende führen dürfen.«
    Â»Ja, Mr. Carrington«, pflichtet der Richter ihm bei. »Ich glaube, Mrs. Frost war noch nicht fertig.«
    Â»Doch, doch«, sage ich rasch.
    Â»Was war Ihr erster Gedanke, als Sie am Morgen des dreißigsten Oktober erwachten?« fragt Fisher.
    Â»Daß ich den schlimmsten Tag meines Lebens vor mir hatte.«
    Fisher dreht sich überrascht um. Das haben wir nicht geprobt. »Warum? An dem Tag sollte doch gegen Pater Szyszynski Anklage erhoben werden.«
    Â»Ja. Aber ab der offiziellen Anklageerhebung würde die Prozeßuhr ticken. Und das bedeutete, daß Nathaniel gezwungen sein würde, seine Aussage zu machen.«
    Â»Und als Sie im Gericht eintrafen, was passierte da?«
    Â»Staatsanwalt Thomas LaCroix sagte, das Anklageeröffnugsverfahren würde etwas später als vorgesehen beginnen.«
    Â»Was haben Sie daraufhin gemacht?«
    Â»Ich habe meinem Mann gesagt, ich müßte rasch noch mal ins Büro.«
    Â»Sind Sie ins Büro gefahren?«
    Ich schüttele den Kopf. »Ich bin durch die Gegend gefahren und irgendwann auf dem Parkplatz eines Waffengeschäfts gelandet. Ich wußte nicht genau, wie ich dorthin geraten war, aber ich wußte, daß ich am richtigen Ort war.«
    Â»Und dann?«
    Â»Als der Laden aufmachte, bin ich hineingegangen und habe eine Pistole gekauft. Ich habe sie in meine Handtasche gesteckt und bin zurück zum Gericht gefahren.«
    Â»Haben Sie während der Rückfahrt irgendeinen Vorsatz gefaßt, was Sie mit der Waffe tun würden?« fragt Fisher.
    Â»Nein. Meine Gedanken waren ausschließlich bei Nathaniel.«
    Fisher läßt diesen Satz einen Moment wirken. »Was taten Sie, als Sie am Gericht ankamen?«
    Â»Ich ging hinein.«
    Â»Dachten Sie an die Metalldetektoren?«
    Â»Nein, daran denke ich nie. Ich gehe einfach daran vorbei, weil ich Staatsanwältin bin. Das mache ich zwanzigmal am Tag.«
    Â»Sind Sie ganz bewußt an den Metalldetektoren vorbeigegangen, weil in Ihrer Handtasche eine Pistole steckte?«
    Â»In diesem Augenblick«, antworte ich, »habe ich an gar nichts gedacht.«

    Ich beobachte die Tür, nur die Tür, gleich muß der Priester herauskommen. Mein Kopf dröhnt. Ich muß ihn sehen.
    Als die erste Bewegung zu erkennen ist, halte ich die Luft an. Als der Gerichtsdiener als erster erscheint, bleibt die Zeit stehen. Und dann versinkt der gesamte Raum um mich herum, und es sind nur noch er und ich da, mit Nathaniel zwischen uns wie ein Bindeglied. Zuerst kann ich ihn nicht ansehen, und dann kann ich den Blick nicht von ihm abwenden.
    Der Priester wendet den Kopf, und zielsicher finden seine Augen meine.
    Ohne ein Wort zu sprechen, sagt er: Ich vergebe dir .
    Und dieser Gedanke, daß er mir vergibt, läßt etwas in mir aufbrechen. Meine Hand schiebt sich in die Tasche, und mit nahezu beiläufiger Gleichgültigkeit lasse ich es geschehen.
    Bei manchen Träumen weiß man, daß man träumt, noch während man träumt. Die Pistole wird wie von einem Magneten vorwärts gezogen, bis sie nur noch wenige Zentimeter von seinem Kopf entfernt ist. In dem Augenblick, als ich abdrücke, denke ich nicht an Szyszynski. Ich denke nicht an Nathaniel. Ich denke nicht mal an Rache.
    Nur ein Wort, gepreßt, mit zusammengebissenen Zähnen:
    Nein.

    Â»Nina!« zischelt Fisher dicht vor meinem Gesicht. »Alles in Ordnung?«
    Ich blinzele, sehe ihn und dann die Geschworenen, die mich anstarren. »Ja. Ich … tut mir leid.«
    Doch im Kopf bin ich noch dort.
    Â»Haben Sie sich gewehrt, als die Wachleute sich auf Sie stürzten?«
    Â»Nein«, murmele ich. »Ich wollte bloß wissen, ob er tot ist.«
    Â»Und dann hat Detective Ducharme Sie in die Verwahrzelle gebracht?«
    Â»Ja.«
    Â»Haben sie dort irgend etwas zu ihm gesagt?«
    Â»Nur, daß ich keine andere Wahl hatte. Daß ich es tun mußte.«
    Was auch tatsächlich stimmte. Mein Vorhaben war nicht geisteskrank, nicht psychotisch. Es war instinktiv.
    Nach kurzem Schweigen fragt Fisher: »Einige Zeit später erfuhren Sie dann, daß Pater Szyszynski gar

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