Die Macht des Zweifels
einer Meile mit dem Wagen abgesucht. Er ist sicher, daà Nathaniel ausgerissen ist und noch nicht weiter gekommen sein kann. Er will gerade zum Funkgerät greifen, als er am StraÃenrand eine Bewegung bemerkt. Dann sieht er, wie Nathaniel eine Viertelmeile weiter die StraÃe hinauf über die Leitplanke klettert und am Rand des Highway entlangstapft.
»Ach, verdammt«, stöhnt Patrick und fährt los. Es sieht so aus, als wüÃte Nathaniel ganz genau, wo er hinwill. Während er sich dem Jungen nähert, sieht Patrick, daà Caleb seinem Sohn auf der anderen StraÃenseite entgegenkommt.
Plötzlich stockt Nathaniel und schaut nach rechts und links. Sofort weià Patrick, was der Junge vorhat. Er hat seinen Vater über den Verkehr hinweg entdeckt. Patrick knallt sein Blaulicht auf das Autodach und stellt den Wagen quer, um den Fluà der Fahrzeuge zu blockieren. Jetzt kann Nathaniel gefahrlos über die StraÃe und in Calebs sichere Arme laufen.
»Tu das nie wieder«, sage ich an Nathaniels weichem Hals und drücke ihn ganz fest. »Nie, nie wieder. Hast du verstanden?«
Er weicht zurück, legt die Hände an meine Wangen. »Bist du auf mich böse?«
»Nein. Doch. Im Moment bin ich einfach froh, daà ich dich wiederhabe, aber wartâs ab, wenn ich damit fertig bin.« Ich drücke ihn noch fester. »Was hast du dir bloà dabei gedacht?«
»Daà ich böse bin«, sagt er tonlos.
Ãber Nathaniels Kopf hinweg blicke ich Caleb an. »Nein, das bist du nicht, Schätzchen. Du hättest nicht weglaufen dürfen, stimmt. SchlieÃlich hätte dir ja was passieren können, und Daddy und ich haben uns schreckliche Sorgen gemacht.« Ich zögere, wähle meine Worte mit Bedacht. »Aber auch wenn man etwas Böses tut, ist man noch lange kein böser Mensch.«
»Wie Pater Gwynne?«
Ich erstarre. »Nein. Er hat etwas Böses getan, und er war ein böser Mensch.«
Nathaniel blickt zu mir hoch. »Und was ist mit dir?«
Kaum hat Dr. Robichaud im Zeugenstand Platz genommen, erhebt Quentin Brown auch schon Einspruch. »Euer Ehren, was verspricht sich die Verteidigung von der Zeugin?«
»Euer Ehren, hier geht es noch immer um den psychischen Zustand meiner Mandantin«, erklärt Fisher. »Die Informationen, die sie von Dr. Robichaud über die Gefährdung ihres Sohnes erhalten hat, haben sich entscheidend auf ihre seelische Verfassung am dreiÃigsten Oktober ausgewirkt.«
»Ich lasse die Zeugin zu«, befindet Richter Neal.
»Dr. Robichaud, haben Sie schon andere Kinder behandelt, die stumm wurden, nachdem sie sexuell miÃbraucht worden waren?« fragt Fisher.
»Leider ja.«
»Kommt es vor, daà Kinder ihre Stimme niemals wiederfinden?«
»Mitunter dauert es Jahre.«
»Konnten Sie bei Nathaniel Frost absehen, wie lange es dauern würde?«
»Nein«, sagt Dr. Robichaud. »Deshalb habe ich angefangen, ihm Grundkenntnisse der Gebärdensprache beizubringen. Es frustrierte ihn nämlich zusehends, daà er sich nicht verständlich machen konnte.«
»Hat es geholfen?«
»Für kurze Zeit«, räumt die Psychiaterin ein. »Dann hat er wieder gesprochen.«
»Und es gab keinen Rückfall?«
»Doch. Als Nathaniel eine Woche lang keinen Kontakt zu seiner Mutter hatte.«
»Wissen Sie, warum?«
»Soviel ich weiÃ, hatte sie angeblich gegen ihre Kautionsauflagen verstoÃen und muÃte kurzfristig ins Gefängnis.«
»War Nathaniel in der Woche, als seine Mutter im Gefängnis saÃ, bei Ihnen?«
»Ja. Mr. Frost brachte ihn zu mir, und er war ziemlich verzweifelt, weil das Kind nicht mehr sprach. Nathaniels Regression ging so weit, daà er nur das Zeichen für Mutter machte.«
»Was hat diese Regression Ihrer Meinung nach verursacht?«
»Ganz eindeutig die plötzliche und längere Trennung von Mrs. Frost«, sagt Dr. Robichaud.
»Wie veränderte sich Nathaniels Zustand, als seine Mutter wieder aus der Haft entlassen wurde?«
»Er rief nach ihr.« Die Psychiaterin lächelt. »Ein schöner Augenblick.«
»Wenn er nun erneut eine plötzliche und längere Trennung von seiner Mutter erleben würde ⦠was für Folgen hätte das Ihrer Ansicht nach für Nathaniel?«
»Einspruch!« ruft Quentin Brown.
»Ich ziehe die Frage
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