Die Macht des Zweifels
Apartment und fragt sich, warum es nicht wärmer wird, wo er doch die Heizung voll aufgedreht hat.
Er steht auf und tapst zum Kühlschrank, der aber lediglich ein paar Dosen Pepsi und eine vergammelte Mango enthält, von der er nicht mehr weiÃ, wann er sie gekauft hat. Als er den Raum mit den Augen nach seinen Schuhen absucht, fällt sein Blick auf das Telefon neben dem Bett.
Nach dem dritten Klingeln überlegt er, ob er eine Nachricht hinterlassen soll oder nicht. Plötzlich gellt ihm Musik ins Ohr. »Ja?« sagt eine Stimme, und dann wird die Lautstärke runtergedreht.
»Gideon«, sagt Quentin, »ich binâs.«
Kurze Pause. »Wer, ich?« erwidert der Junge, und Quentin muà lächeln. Gideon weià ganz genau, wer dran ist. »Falls du meine Mom sprechen willst, die ist nicht da. Vielleicht sag ich ihr, daà sie dich zurückrufen soll, aber vielleicht vergesse ich auch, es ihr auszurichten.«
»Gideon, Moment!« Quentin kann förmlich hören, wie der Hörer, der schon fast aufgelegt war, wieder zurück ans Ohr seines Sohnes gehoben wird.
»Was denn noch?«
»Ich habe nicht angerufen, um mit Tanya zu sprechen. Ich wollte dich sprechen.«
Eine ganze Weile sagt keiner von beiden ein Wort. Dann unterbricht Gideon die Stille: »Wenn du angerufen hast, um mit mir zu sprechen, machst du das aber ziemlich schlecht.«
»Du hast recht.« Quentin massiert seine Schläfe. »Ich wollte dir bloà sagen, daà es mir leid tut. Die Sache mit dem Rehabilitationszentrum und so. Damals hab ich wirklich geglaubt, es wäre am besten für dich.« Er holt tief Luft. »Und ich hatte kein Recht, dir Vorschriften zu machen, wie du dein Leben zu leben hast, nachdem ich vor Jahren aus eigenem Entschluà aus deinem Leben verschwunden bin.« Als sein Sohn weiter schweigt, wird Quentin nervös. Hat er aufgelegt? »Gideon?«
»Wolltest du darüber mit mir reden?« sagt er schlieÃlich.
»Nein. Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, mit mir eine Pizza essen zu gehen.« Quentin fummelt an der Fernbedienung herum. Der Augenblick, den er auf Gideons Antwort wartet, wird für ihn zur Ewigkeit.
»Wo?« fragt Gideon.
Die Geschworenen blicken Quentin an, warten gespannt auf sein SchluÃplädoyer. »Ladys und Gentlemen«, beginnt er, »dieser Fall ist nicht leicht für mich. Obwohl ich die Angeklagte nicht persönlich kenne, hätte ich sie als meine Kollegin bezeichnet. Aber Nina Frost steht nicht mehr auf der Seite des Gesetzes. Sie alle haben mit eigenen Augen gesehen, was sie am Morgen des dreiÃigsten Oktober 2001 getan hat. Sie ging in einen Gerichtssaal, hielt einem unschuldigen Menschen eine Pistole an den Kopf und drückte viermal ab.
Das Absurde ist, daà Nina Frost behauptet, sie hätte die Tat begangen, um ihren Sohn zu schützen. Wie sie später jedoch feststellte ⦠wie wir alle festgestellt hätten, wenn sie das Rechtssystems nicht daran gehindert hätte, so zu funktionieren, wie es in einer zivilisierten Gesellschaft funktionieren sollte ⦠hat sie ihren Sohn durch die Ermordung von Pater Szyszynski keineswegs geschützt.« Quentin blickt die Geschworenen treuherzig an. »Wir haben nicht ohne Grund Gerichte â es ist nämlich sehr leicht, einen Mann zu beschuldigen. Gerichte tragen Fakten zusammen, damit ein auf Vernunft basierendes Urteil ergehen kann. Aber Mrs. Frost hat gehandelt, ohne die Fakten zu kennen. Mrs. Frost hat diesen Mann nicht bloà angeklagt, sie hat ihm den Prozeà gemacht, ihn verurteilt und hingerichtet.«
Er geht zu der Geschworenenbank, fährt mit der Hand über das Holzgeländer. »Mr. Carrington wird Ihnen sagen, daà die Angeklagte die Tat beging, weil sie unser Rechtssystem kannte und ehrlich glaubte, daà es ihren Sohn nicht schützen würde. Ja, Nina Frost kannte das Rechtssystem. Aber sie hat es benutzt, um ihre Chancen zu verbessern. Sie wuÃte, welche Rechte sie als Angeklagte haben würde. Sie wuÃte, wie sie sich verhalten muÃte, um Geschworene glauben zu machen, daà sie vorübergehend unzurechnungsfähig war. Sie wuÃte sehr genau, was sie tat, als sie sich erhob und Pater Szyszynski kaltblütig erschoÃ.«
Quentin spricht jetzt die Geschworenen nacheinander einzeln an. »Um Mrs. Frost schuldig zu sprechen, müssen Sie erstens der Ãberzeugung sein, daà der
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