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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wollten?«
    Â»Daß ich nicht verrückt war.«
    Â»Nina«, sagt Fisher sanft, »damit machen Sie unsere Strategie zunichte. Das können Sie denen nicht sagen.«
    Â»Wieso nicht, Fisher? Wieso kann ich nicht zwölf Menschen begreiflich machen, daß es irgendwo zwischen einer guten Tat und einer schlechten Tat tausend Grauschattierungen gibt? Wie es jetzt aussieht, bin ich doch praktisch schon geliefert, weil Quentin den Geschworenen erzählt hat, was ich an jenem Tag gedacht habe. Wenn ich aussage, kann ich ihnen eine andere Version liefern. Ich kann erklären, was ich getan habe, warum es falsch war und warum ich das damals nicht erkennen konnte. Entweder sie schicken mich dann ins Gefängnis … oder sie schicken mich mit meinem Sohn nach Hause. Und diese Chance soll ich nicht ergreifen?«
    Fisher starrt nach unten auf den Tisch. »Wenn Sie so weitermachen«, sagt er nach einem Moment, »dann muß ich Sie vielleicht noch engagieren, wenn wir hier fertig sind.« Er hebt die Hände und zählt Punkt für Punkt an den Fingern ab. »Sie antworten nur auf die Fragen, die ich Ihnen stelle. Sobald Sie anfangen, die Geschworenen zu belehren, hole ich Sie aus dem Zeugenstand. Falls ich von vorübergehender Unzurechnungsfähigkeit spreche, finden Sie verdammt noch mal einen Weg, das zu untermauern, ohne einen Meineid zu leisten. Und falls Sie auch nur ansatzweise aus der Haut fahren, können Sie sich auf einen schönen langen Gefängnisaufenthalt freuen.«
    Â»Alles klar.« Ich springe auf.
    Aber Fisher rührt sich nicht. »Nina. Nur damit Sie’s wissen … auch wenn Sie die Geschworenen nicht überzeugen können, mich haben Sie jedenfalls überzeugt.«

    In den letzten sieben Jahren war der Gerichtssaal mein Arbeitsplatz. Ich kannte die Regeln, die hier herrschen. Aber jetzt sitze ich an einer Stelle meines Arbeitsplatzes, die ich noch nicht kennengelernt habe. Und allmählich begreife ich, warum so vielen Leute hier angst und bange wird.
    Der Zeugenstand ist so eng, daß meine Knie gegen das Geländer stoßen. Die Blicke von zweihundert Menschen durchbohren mich. Ich rufe mir in Erinnerung, was ich als Anwältin schon unzähligen Zeugen erzählt habe: Sie müssen nur drei Dinge tun: sich die Frage anhören, die Frage beantworten und aufhören zu reden .
    Fisher reicht mir die einstweilige Verfügung, die ich damals gegen Caleb erwirkt hatte. »Warum haben Sie sich diese Verfügung beschafft, Nina?«
    Â»Weil ich damals glaubte, daß Nathaniel meinen Mann als denjenigen identifiziert hätte, der ihn sexuell mißbraucht hatte.«
    Â»Was hat Ihr Ehemann getan, daß Sie das für möglich hielten?«
    Ich suche Caleb im Zuschauerraum, schüttele den Kopf. »Absolut nichts, aber da ich Nathaniel so verstanden hatte, daß sein Vater der Täter sei, sah ich darin die einzige Möglichkeit, ihn nicht weiter zu gefährden.«
    Â»Wann beschlossen Sie, die Verfügung aufheben zu lassen?« fragt Fisher.
    Â»Als mir klar wurde, daß mein Sohn mit dem Zeichen für Vater nicht Caleb meinte, sondern einen Priester.«
    Â»Und da ist Ihr Verdacht gleich auf Pater Szyszynski gefallen?«
    Â»Es kamen einige Dinge zusammen. Erstens hatte ein Arzt, der meinen Sohn untersucht hatte, festgestellt, daß es zu einer analen Penetration gekommen war. Dann machte Nathaniel das Handzeichen. Außerdem flüsterte er Detective Ducharme einen Namen zu, der sich anhörte wie ›Pater Glen‹. Und schließlich sagte mir Detective Ducharme, daß er die Unterhose meines Sohnes im Heizungsraum der Kirche gefunden hatte.« Ich schlucke trocken. »Das alles zusammen genommen erschien mir vollkommen logisch.«
    Fisher blickt mich böse an. Vollkommen logisch . Ach verdammt.
    Â»Nina, bitte hören Sie gut zu , wenn ich Ihnen die nächste Frage stelle«, fordert Fisher mich auf. »Als Sie zu dem Schluß kamen, daß Pater Szyszynski Ihren Sohn mißbraucht hatte, wie war Ihnen da zumute?«
    Â»Ich war fix und fertig. Er war schließlich der Mann, von dem ich mich in Fragen des Glaubens hatte leiten lassen. Dem ich meinen Sohn anvertraut hatte. Ich war wütend auf mich, weil ich soviel gearbeitet hatte – wäre ich mehr zu Hause gewesen, hätte ich die Gefahr für meinen Sohn vielleicht erkannt. Und ich war verzweifelt, weil ich wußte, daß Nathaniel,

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