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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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sagt Pater Szyszynski.
    Â»Ach ja?«
    Er nickt. »Daß es im Jahr 2001 eine archaische Anmaßung ist zu denken, die Kirche sei ein so großer Teil Ihres Lebens, daß sie Ihnen in einer solchen Zeit Trost bieten könnte. Aber das kann sie, Nina. Gott möchte, daß Sie sich ihm zuwenden.«
    Ich blicke ihm fest in die Augen. »Ich bin zur Zeit nicht besonders wild auf Gott«, sage ich unverblümt.
    Â»Ich weiß. Manchmal ergibt Gottes Wille scheinbar nicht viel Sinn.« Pater Szyszynski zuckt die Achseln. »Es hat Zeiten gegeben, da habe ich selbst an ihm gezweifelt.«
    Â»Offensichtlich sind Sie darüber hinweggekommen.« Ich wische mir über die Augen. Wieso weine ich? »Ich bin noch nicht mal eine richtige Katholikin.«
    Â»Aber natürlich sind Sie das. Sie kommen doch immer wieder.«
    Aber das liegt am Schuldgefühl, nicht am Glauben.
    Â»Nichts geschieht ohne Grund, Nina.«
    Â»Ach nein. Dann tun Sie mir doch den Gefallen und verraten mir, was für einen Grund es dafür geben könnte, daß ein Kind so verletzt wird?«
    Â»Fragen Sie ihn das«, sagt der Priester. »Und wenn Sie mit ihm sprechen, sollten Sie vielleicht daran denken, daß ihr etwas gemein habt – auch er hat seinen Sohn leiden sehen.«
    Er reicht mir ein Bilderbuch – David und Goliath , eine entschärfte Version für einen Fünfjährigen. »Falls Nathaniel wieder auftaucht«, sagt er extra laut, »dann sagen Sie ihm doch bitte, daß Pater Glen ein Geschenk für ihn dagelassen hat.« Alle Kinder von St. Anne nennen ihn Glen, weil sie seinen Nachnamen nicht aussprechen können. Was soll’s , hat er mal gesagt, nach ein paar Gläschen kann ich ihn selbst nicht mehr aussprechen. »Nathaniel hat besonders diese Geschichte gut gefallen, als ich sie letztes Jahr vorgelesen habe. Er hat gefragt, ob wir nicht auch mal eine Steinschleuder basteln könnten.« Pater Szyszynski steht auf und geht vor mir her zur Tür. »Falls Sie ein Gespräch wünschen, Nina, Sie wissen, wo Sie mich finden können. Alles Gute.«
    Er geht den Weg hinunter, über die Steinstufen, die Caleb mit eigenen Händen angelegt hat. Während ich ihm nachsehe, drücke ich das Buch an meine Brust und denke an die Schwachen, die Riesen bezwingen.

    Nathaniel spielt mit einem Boot, drückt es unter Wasser und sieht dann zu, wie es wieder an die Oberfläche schnellt. Wahrscheinlich sollte ich dankbar dafür sein, daß er überhaupt in der Wanne sitzt. Aber es geht ihm heute besser. Er hat mit den Händen gesprochen. Und er war mit dem Bad einverstanden, wenngleich unter der Bedingung, daß er sich selbst ausziehen darf. Ich versuche, mir ständig in Erinnerung zu rufen, was Dr. Robichaud uns über Macht erzählt hat. Nathaniel ist hilflos gemacht worden. Er muß das Gefühl bekommen, daß er selbst wieder über sich bestimmen kann.
    Ich sitze auf dem Badewannenrand und betrachte seinen Rücken, der sich mit jedem Atemzug hebt und senkt. Die Seife schimmert wie ein Fisch in der Nähe des Abflusses. »Soll ich dir helfen?« frage ich und hebe eine Hand mit der anderen an, ein Zeichen. Nathaniel schüttelt energisch den Kopf. Er nimmt das Stück Seife und reibt es sich über Schultern, Brust und Bauch. Er zögert, dann schiebt er es sich zwischen die Beine.
    Ein dünner weißer Film bedeckt ihn, läßt ihn überirdisch wirken, wie ein Engel. Nathaniel hebt das Gesicht, sieht mich an und reicht mir die Seife, damit ich sie weglege. Einen Moment lang berühren sich unsere Finger.
    Ich fahre mir mit einem Finger um den gespitzten Mund. Ich bewege den Zeigefinger vor und zurück, Berührung und Rückzug. Ich zeige auf Nathaniel.
    Wer hat dir weh getan?
    Aber mein Sohn kennt diese Zeichen nicht. Statt dessen streckt er beide Hände seitlich von sich, stolz, daß er dieses neue Wort beherrscht. Fertig . Er erhebt sich wie eine Meeresnymphe, Wasser rinnt an seinem schönen Körper herab. Während ich ihn abtrockne und ihm seinen Schlafanzug überziehe, frage ich mich insgeheim, ob ich der einzige Mensch bin, der ihn überall berührt hat, bis schließlich jeder Zentimeter von ihm wieder bedeckt ist.

    Mitten in der Nacht hört Caleb, daß der Atem seiner Frau flattert. »Nina?« flüstert er, aber sie antwortet nicht. Er rollt sich auf die Seite, schmiegt sich an sie. Sie ist

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