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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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dem Tag, als die einstweilige Verfügung gegen Caleb aufgehoben wurde, nicht mehr gesehen habe. Ich möchte ihm so vieles sagen – ihn so vieles fragen, jetzt, wo ich nicht mehr im Büro bin –, aber die Kautionsbedingungen verbieten es mir, mit irgendeinem meiner Kollegen zu sprechen.
    Nathaniel freut sich unbändig darüber, den Mann zu treffen, der einen Vorrat an Dauerlutschern in seiner Schreibtischschublade hat und unheimlich gut nachmachen kann, wie eine Ente niest. »Peter«, ruft Nathaniel wieder und streckt die Arme aus.
    Peter zögert. Ich sehe es ihm am Gesicht an. Aber andererseits ist er ganz vernarrt in Nathaniel. Und schon legt Peter seine Chipstüte und die Flasche Chardonnay auf einen Berg Äpfel der Sorte Red Delicious und umarmt Nathaniel. »Na, was hör ich denn da!« ruft er. »Deine Stimme ist ja wieder ganz in Ordnung!«
    Dann dreht er sich zu mir um. »Er macht einen prima Eindruck, Nina.« Nur ein kurzer Satz, aber ich weiß, daß er in Wahrheit sagen will: Du hast das Richtige getan .
    Â»Danke.«
    Wir sehen uns an, und während wir noch damit beschäftigt sind, uns auf diese Weise gegenseitig unsere Freundschaft zu signalisieren, stößt mit einem leisen Klack ein anderer Einkaufswagen gegen meinen, gerade so laut, daß ich aufblicke und einen lächelnden Quentin Brown neben einem Berg Orangen stehen sehe. »Schön, schön«, sagt er. »Alles reif zur Ernte.« Er zieht ein Handy aus seiner Brusttasche und wählt. »Schicken Sie sofort einen Streifenwagen her. Ich nehme eine Verhaftung vor.«
    Â»Sie mißverstehen das«, beteuere ich, als er sein Handy wegsteckt.
    Â»Was kann man denn da mißverstehen? Sie haben eindeutig gegen Ihre Kautionsauflagen verstoßen, Mrs. Frost. Ist Mr. Eberhardt nun ein Kollege aus der Bezirksstaatsanwaltschaft oder nicht?«
    Â»Himmelherrgott, Quentin«, wirft Peter ein. »Ich hab mit dem Jungen geredet. Er hat mich gerufen.«
    Quentin packt meinen Arm. »Ich hab es gut mit Ihnen gemeint, und jetzt stehe ich da wie ein Idiot.«
    Â»Mommy?« Nathaniels Stimme steigt wie Rauch zu mir auf.
    Â»Alles in Ordnung, Schätzchen.« Ich drehe mich zu dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt um und sage halblaut: »Ich komme mit Ihnen, aber seien Sie bitte so rücksichtsvoll, mein Kind nicht noch mehr zu traumatisieren.«
    Â»Ich habe nicht mit ihr gesprochen«, schreit Peter. »Das können Sie doch nicht machen.«
    Als Quentin sich umdreht, sind seine Augen dunkel wie Pflaumen. »Mr. Eberhardt, ich glaube, die genauen Worte, die Sie nicht zu ihr gesagt haben, waren: ›Er macht einen prima Eindruck, Nina.‹ Nina . Wie der Vorname der Frau, mit der Sie nicht gesprochen haben. Und offen gestanden, selbst wenn Sie so töricht waren, auf Mrs. Frost zuzugehen, wäre es Mrs. Frosts Verpflichtung gewesen, ihren Einkaufswagen zu wenden und schleunigst zu gehen.«
    Â»Peter, ist schon gut.« Ich rede schnell, weil ich draußen vor dem Laden bereits die Sirenen höre. »Bring Nathaniel zu Caleb nach Hause, ja?«
    Dann kommen zwei Polizisten den Gang heruntergelaufen, Die Hände an ihren Waffen. Nathaniel bestaunt sie zunächst, doch dann begreift er, was sie vorhaben. »Mommy!« kreischt er, als Quentin Anweisung gibt, mir Handschellen anzulegen.
    Ich sehe Nathaniel an und lächle so angestrengt, daß mein Gesicht zu zerspringn droht. »Alles in Ordnung. Siehst du? Mit mir ist alles in Ordnung.« Meine Haare lösen sich aus der Spange, als mir die Hände auf den Rücken gezogen werden. »Peter? Bring ihn weg, sofort .«
    Â»Komm mit, Kleiner«, sagt Peter besänftigend und hebt Nathaniel aus dem Einkaufswagen. Seine Schuhe verfangen sich zwischen den Metallstäben, und Nathaniel setzt sich erbittert zur Wehr. Er streckt die Arme nach mir aus und beginnt so heftig zu weinen, daß er keine Luft mehr bekommt. »Moooommy!«
    Ich werde an gaffenden Kunden vorbeigeführt, vorbei an fassungslosen Verkäufern, vorbei an den Kassiererinnen, die mit ihren elektronischen Scannern in der Hand erstarrt sind. Die ganze Zeit kann ich meinen Sohn hören. Seine Schreie folgen mir über den Parkplatz bis zu dem Streifenwagen. Das Blaulicht auf dem Dach rotiert.
    Â»Es tut mir leid, Nina«, sagt einer der Polizisten, als er mich in den Wagen schiebt. Durch das Fenster sehe ich

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