Die Macht des Zweifels
Kind das angetan hatte.«
Bei meiner Ausdrucksweise errötet er über dem Kragen seines Button-down-Hemdes. »Mrs. Frost â Nina â, ich muà Ihnen einige Fragen zu dem Tag stellen, an dem ⦠an dem es passiert ist.«
Ich beginne, an den Ãrmeln meines Pullovers zu ziehen. Nicht viel, nur so, daà der Stoff meine Hände bedeckt. Ich blicke nach unten. »Ich muÃte es tun«, flüstere ich.
Ich werde immer besser.
»Wie haben Sie sich an dem Tag gefühlt?« fragt Dr. Storrow. Skepsis liegt in seiner Stimme. SchlieÃlich war ich noch vor einem Augenblick völlig klar.
»Ich muÃte es tun ⦠verstehen Sie. Ich habe zu oft gesehen, wie das läuft. Ich konnte ihn nicht laufenlassen.« Ich schlieÃe die Augen, denke an jede erfolgreiche Verteidigung wegen Unzurechnungsfähigkeit, die ich je vor Gericht erlebt habe. »Ich hatte keine andere Wahl. Es war stärker als ich ⦠es war, als würde ich dabei zusehen, wie jemand anderes es tat, jemand anderes handelte.«
»Aber Sie wuÃten, was Sie taten«, entgegnet Dr. Storrow, und ich zwinge mich, den Blick gesenkt zu halten. »Sie haben Leute angeklagt, die schreckliche Dinge getan hatten.«
»Ich habe nichts Schreckliches getan. Ich habe meinen Sohn gerettet. Dafür sind Mütter doch wohl da, oder etwa nicht?«
»Was denken Sie , wozu Mütter da sind?« fragt er.
Daà sie nachts wach bleiben, wenn ihre Kinder eine Erkältung haben. Daà sie wenigstens einmal einen Kuchen mit allen Zutaten backen, die sie zu Hause haben, nur um herauszufinden, wie das wohl schmeckt .
Daà sie ihren kleinen Sohn jeden Tag noch ein biÃchen mehr lieben .
»Nina?« sagt Dr. Storrow. »Ist alles in Ordnung?«
Ich blicke auf und nicke unter Tränen. »Es tut mir leid.«
»Wirklich?« Er beugt sich vor. »Tut es Ihnen wirklich leid?«
Wir reden nicht mehr über ein und dasselbe. Ich stelle mir Pater Szyszynski auf dem Weg in die Hölle vor. Ich denke daran, wie unterschiedlich man diese Worte auslegen kann, und dann suche ich Dr. Storrows Blick. »Und ihm?«
Nina hat schon immer besser geschmeckt als jede andere Frau, denkt Caleb, als seine Lippen über ihre Schulter gleiten. Wie Honig und Sonne und Karamel â von ihrer Gaumenwölbung bis hinunter zur Kniekehle. Es gibt Augenblicke, da hat Caleb das Gefühl, er könnte sich von seiner Frau ernähren und nie genug von ihr bekommen.
Ihre Hände gleiten nach oben und umfassen seine Schultern, und im Halbdunkel fällt ihr Kopf nach hinten, so daà die Kontur ihres Halses zur Landschaft wird. Caleb vergräbt sein Gesicht darin und versucht, sich seinen Weg zu ertasten. Hier, in diesem Bett, ist sie die Frau, in die er sich vor einer halben Ewigkeit verliebt hat. Er weiÃ, wann sie ihn berühren wird und wo. Er kann jede einzelne Bewegung von ihr vorhersagen.
Ihre Beine öffnen sich, und Caleb preÃt sich an sie. Sein Rücken wölbt sich. Er stellt sich den Augenblick vor, wenn er in ihr ist, wie dann der Druck wächst und wächst und schlieÃlich explodiert.
In diesem Moment schlüpft Ninas Hand zwischen sie beide und umschlieÃt ihn, und schlagartig erschlafft Caleb. Er versucht, sich an ihr zu reiben. Ninas Finger bewegen sich wie die einer Flötistin auf ihm, aber nichts geschieht.
Caleb spürt, wie ihre Hand wieder zu seiner Schulter gleitet. »Nanu«, sagt Nina, als er sich neben ihr auf den Rücken rollt. »Das ist ja noch nie passiert.«
Er starrt zur Decke, überallhin, nur nicht auf diese Fremde neben ihm. Das ist nicht das einzige , denkt er.
Freitag nachmittags gehen Nathaniel und ich fürs Wochenende einkaufen, und das ist für meinen Sohn immer ein gastronomisches Fest: An der Feinkosttheke bekommt er eine Gratisscheibe Käse, in der SüÃwarenabteilung sucht er sich eine Packung Kekse aus, und beim Bäcker springt ein Bagel für ihn heraus. »Was meinst du, Nathaniel?« frage ich und gebe ihm ein paar von den Weintrauben, die ich gerade in den Einkaufswagen gelegt habe. »Ist uns die Honigmelone wirklich vier neunundneunzig wert?«
Plötzlich richtet Nathaniel sich im Kindersitz des Einkaufswagens auf und winkt. »Peter! He, Peter!«
Ich blicke auf und sehe Peter Eberhardt den Gang hinunterkommen, eine Tüte Chips und eine Flasche Chardonnay in der Hand. Peter, den ich seit
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