Die Macht
sicher«, sagte er schließlich.
Rudin verstand nicht, wie es da noch den geringsten Zweifel geben konnte. Das Hearing zur Bestätigung von Irene Kennedy musste der reinste Inquisitionsprozess für die Frau werden. »Hank, wie meinen Sie das – Sie sind sich nicht sicher? Sie sagt unter Eid aus – das heißt, sie ist so gut wie geliefert!«
»Oh, keine Sorge, wenn diese Informationen wirklich so unerhört sind, wie Sie sagen, dann wird es auch so kommen. Ich will mich nur zuerst vergewissern, dass wir auch ja keinen Fehler machen.« Clark sah Rudin an und sagte schließlich: »Sie sind doch morgen in ›Meet the Press‹ im Fernsehen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Okay«, sagte Clark, »dann sage ich Ihnen jetzt, wie wir es machen werden.«
37
Maryland, Samstagabend
Ein beständiger Nieselregen ging aus dem dunklen Nachthimmel nieder, während die Scheinwerfer des Taxis eine Lichtschneise in die Dunkelheit schnitten. Anna Rielly, die auf dem Rücksitz saß, spürte, wie ihre Entschlossenheit dahinschmolz. Sie wusste selbst nicht mehr so recht, was sie sich wünschen sollte, doch sie wusste, dass sie sich mit ihm treffen musste. Sie konnte nicht einfach weglaufen. Sie liebte ihn zu sehr und hatte einfach zu viel Herzblut in diese Beziehung investiert. Es gab so viel, das gesagt werden musste. Außerdem musste sie auch ihren Wagen abholen.
Die Rückreise aus Mailand war ziemlich mühsam gewesen. Zum Glück hatte man bei American Airlines Annas Erste-Klasse-Ticket akzeptiert, obwohl sie nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückflog. Wahrscheinlich war es von Vorteil, dass die Frau, mit der sie gesprochen hatte, sie als NBC-Korrespondentin im Weißen Haus wiedererkannte. Was den Flug so anstrengend machte, war die Tatsache, dass sie neben einem Mann Mitte vierzig aus Baltimore saß, der den gesamten Flug über versuchte, mit ihr anzubändeln. Sie bekam seine gesamte Lebensgeschichte zu hören – einzelne Kapitel daraus, die ihm besonders wichtig erschienen, sogar mehrmals. Der Gedanke, dass ihr solche Erlebnisse in Zukunft vielleicht öfter widerfahren würden, wenn es mit Mitch tatsächlich zu Ende war, erschien ihr alles andere als erfreulich. Im Vergleich dazu hätte sie es fast vorgezogen, die eine oder andere Nacht in Angst und Ungewissheit auf Mitch warten zu müssen.
Nachdem sie ein paar Tage Zeit gehabt hatte, sich zu beruhigen, konzentrierte sie sich nun auf ihr Hauptproblem mit Mitch – nämlich die Frage, wie gut sie ihn kannte. Gewiss, man konnte sich fragen, wie gut man einen anderen Menschen überhaupt kennen konnte, doch so philosophisch wollte sie das Ganze nicht betrachten. Sie kannte zum Beispiel ihre Familienangehörigen und ihre Freunde sehr gut, und sie hatte auch das Gefühl gehabt, Mitch gut zu kennen; doch das, was er in Mailand getan hatte, hätte sie ihm nie und nimmer zugetraut.
Anna Rielly wusste genau, warum sie nach Italien geflogen waren. Sie wollten sich dort verloben. Mitch hatte noch eine Kleinigkeit zu erledigen gehabt, und dann hätte ihr gemeinsames Leben beginnen sollen. Das große Problem war jedoch, dass die Sache, die er zu erledigen hatte, damit verbunden war, dass er sich mit einer ehemaligen Geliebten traf. Sie stellte sich die Frage, was Mitch wohl gesagt hätte, wenn sie sich während eines gemeinsamen Urlaubs heimlich mit einem Exfreund getroffen hätte. Die Frage war nicht schwer zu beantworten; er wäre empört gewesen.
Warum also sollte sie jetzt besonders verständnisvoll sein? Der Grund allen Übels lag wohl darin, dass Mitch ein ganz anderes Leben führte als sie. Geheimnisse waren für ihn etwas völlig Normales, und was das Ganze noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass Anna Journalistin war. Sie besaß nun einmal den unwiderstehlichen Drang, Verborgenes zutage zu fördern und den Dingen auf den Grund zu gehen. Ihn hingegen schien es nicht zu stören, wenn er von gewissen Dingen nichts wusste. Sie hatte ihn eines Abends nach seinen Exfreundinnen gefragt, doch er hatte sich standhaft geweigert, auf die Frage einzugehen. »Interessiert es dich denn überhaupt nicht, mit welchen Männern ich früher zu tun hatte?«, hatte sie ihn gefragt, worauf er behauptete, dass er es tatsächlich nicht wissen wolle. Es machte sie manchmal verrückt, dass er so tat, als hätte er überhaupt keine Vergangenheit. Aber es war nun einmal so, dass er immer nur über die Gegenwart und die Zukunft sprechen wollte; die Vergangenheit interessierte ihn ganz einfach nicht.
Als
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