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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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schleppten.
    Der Dominikaner kam aus dem Portego auf die Loggia und trat neben Albiera. Er betrachtete das unruhige Geschehen im Hof mit zusammengekniffenen Augen.
    Vermutlich war er gerade dabei, im Geiste die ersten Punkte auf einer sicherlich ellenlangen Mängelliste zu erstellen, die er dem Patriarchen vorzutragen gedachte. Disziplinlosigkeit würde natürlich dazugehören. Und unziemlicher Lärm.
    Doch Ambrosio zeigte weniger Interesse an dem Auflauf im Hof als an einem der Mädchen, das abseits von den anderen stand, die Arme vor dem Körper verschränkt.
    »Was hat sie? Warum steht sie allein da unten?«
    »Sie ist traurig. Ihre Eltern sind gestorben.« Albieras Antwort kam ohne Zögern, wie immer, wenn jemand solche Fragen über Sanchia stellte. Nicht, dass es noch häufig vorkam – inzwischen war die Kleine schließlich schon fast ein Jahr hier –, aber als Erklärung für Sanchias fortgesetzte Zurückgezogenheit war es ebenso nützlich wie als Hinweis, das Kind einfach in Ruhe zu lassen.
    »Ihr Haar ist ungewöhnlich hell.«
    »Das kommt manchmal vor. Eine Laune der Natur.«
    »Warum trägt sie keinen Schleier?«
    »Sie ist keine Nonne, sondern Educanda .«
    »Aber ihr Haar ist kurz. Nur den Novizinnen wird das Haar geschnitten.«
    Albiera bemühte sich um Geduld. »Sie hat es durch eine Krankheit verloren. Es wächst langsam wieder.«
    »Sie sollte darauf achten, eine Haube zu tragen. Haar, das so hell ist, fasziniert das Auge des Betrachters. Ein gottesfürchtiges Mädchen sollte vermeiden, durch sein Äußeres aufzufallen. Es ist sündig.«
    Albiera presste die Lippen zusammen. Was für ein bigotter Idiot! Einer von dieser Sorte hatte ihr noch gefehlt. Sein frömmelnder Eifer hätte vermutlich erst recht Nahrung gefunden, hätte er gewusst, dass die Mädchen die Nonnengewänder heute nur auf ihr Geheiß hin angelegt hatten, weil Tullio erwartet wurde.
    Sie reckte sich, sodass er zu ihr aufsehen musste. Sie war größer als die meisten Männer und spielte es aus, wenn es nötig war.
    »Gott selbst hat es gefallen, sie mit dieser Haarfarbe auszustatten«, sagte sie schroff. Sophistisch setzte sie hinzu: »Sie ist reinen Herzens, ein Kind Gottes. Sündigen mag der, der seine Augen nicht von ihr wenden kann.«
    Damit hatte sie bei ihm einen Nerv getroffen, denn er drehte sich ohne ein Wort um und ging zurück in den Portego, wo Tullio in der Zwischenzeit auf einen Lehnstuhl gesunken und eingenickt war.
    Albiera blieb auf der Loggia stehen. Ihre Blicke ruhten für einen Augenblick voller Zuneigung auf Sanchia. Das Kind anzusehen war fast, als würde sie in einen Spiegel schauen, der ihre eigene Vergangenheit zeigte. Nicht, dass es mit so etwas Nebensächlichem wie Aussehen oder Haarfarbe zusammenhing. Albieras Haar war kraus und so rot wie reife Karotten, und im Alter von acht Jahren war sie ihrer Erinnerung nach schon so groß und breit gewesen wie ein Kirchturm, während Sanchia so zart war, dass beinahe jeder Windhauch sie wegwehen konnte.
    Nein, es war das Anderssein, das Wissen darum, außerhalb der Normen zu stehen. Sie spürte in dem Kind eine verwandte Seele. Sanchia war ein Außenseiter, genau wie sie selbst.
    Albiera erinnerte sich noch lebhaft an den Morgen, als die Kleine nach San Lorenzo gekommen war. Der junge Mann, der sie gebracht hatte, konnte nur mühsam und unter Schmerzen humpeln, hatte sich aber geweigert, seinen Fuß versorgen zu lassen. Stattdessen war er vor Albiera auf die Knie gesunken, mindestens ebenso sehr vor Erschöpfung wie aus Ehrfurcht, und hatte ihr eine Geschichte aufgetischt, die so haarsträubend war, dass ihr der Mund offen stand.
    Dann fiel ihr Blick auf das Kind, ein kleiner, rot verfärbter Gnom mit Stoppeln auf dem Kopf und toten Augen. Da erst begriff sie, dass alles, was der junge Mann ihr erzählt hatte, die reine Wahrheit war.
    »Ehrwürdige Mutter, hier ist das Geld. Ich habe es nicht gezählt, aber ihr Vater hat gesagt, es wird reichen.« Er küsste den Saum ihres Gewandes und legte ihr eine Schatulle vor die Füße, während er mit umschatteten Augen zu ihr aufblickte. »Es war sein letzter Wille. Nehmt das Geld und sorgt gut für sie.« Er schluckte hart, dann fuhr er fort: »Und bitte achtet darauf, dass das Gesetz eingehalten wird.«
    Albiera war verblüfft. »Welches Gesetz?«
    Er wurde glühend rot. »Das Gesetz, dass Nonnen sich im Kloster nicht der Unzucht hingeben sollen.«
    Seither war er noch einmal hier gewesen und hatte sich nach Sanchia

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