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Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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zusammengedreht und nach oben gestellt waren; die Spitzen reichten bis an die Ohren.
    Er steckte in einer dunkelblauen Uniform, die Insignien wiesen ihn als Hauptmann aus. Sein Gesicht war freundlich, und trotz des Alters von dreiundsechzig beherrschte er ein bübisches Lächeln.
    Silena sprang aus der Kanzel, warf ihre Fliegerkleidung über den Flügel der Macchi. »Sie haben wie immer die Halle voll, Hauptmann von Litzow«, grüßte sie ihn herzlich und reichte ihm die Hand, die er kräftig drückte. Sie empfand größten Respekt vor dem Mann, auf den ein Großteil der neuen Modelle der Staffel zurückging.
    »Lieber habe ich viel zu tun als gar nichts.« Seine Heiterkeit wich einem sehr ernsten Ausdruck, stumm sprach er ihr sein Beileid aus.
    Sie nickte und sah sofort wieder das schlammige Feld mit dem zerborstenen Wrack vor sich. Die verhasste unsichtbare Schlinge legte sich um ihren Hals und drückte zu, machte die Kehle eng und trocken. Aber inmitten der Halle, umringt von zahllosen Männern, durfte es keine Tränen geben, nur Trauer. Und Haltung. »Danke«, presste sie hervor.
    Litzow betrachtete ihr Gesicht, als sei es das Antlitz eines alten Freundes. »Wissen Sie, wie ähnlich Sie Ihrer Mutter sehen?«, sagte er, und sie erkannte eine aufflammende Sentimentalität, die Stimme klang längst nicht mehr fest wie bei der ersten Begrüßung. Er war ein guter Kamerad ihrer Eltern gewesen und hatte manches Fest mit ihnen gefeiert. »Nein, wie ähnlich Sie ihr sind?«
    Um Silenas Herz schloss sich eine Klammer, sie rang nach Luft. Weitere Erinnerungen stiegen auf. Die ersten Töne eines Whiffenpoofs-Songs – selbst wenn ein Arbeiter sie falsch pfiffe – würden ausreichen, um sie in Tränen ausbrechen zu lassen. »Danke, Hauptmann«, erwiderte sie und riss sich zusammen. »Würde es Ihnen etwas ausmachen…«
    Glücklicherweise erkannte er, in welche Lage er sie brachte, und er erschrak über seine eigene Gedankenlosigkeit. »Verzeihen Sie mir. Es war war unverzeihlich, dass ich Ihnen noch mehr Schmerzen bereitet habe.« In Litzows Augen schimmerte es feucht, die Sentimentalität wurde ausgewaschen und durch eine großväterliche Freundlichkeit ersetzt.
    Sie seufzte lange und schenkte ihm ein aufrichtiges Lächeln. Silena wusste, dass ihre Mutter und der Hauptmann zusammen aufgewachsen waren und sich sehr gemocht hatten. Jetzt litt er mit ihr, der letzten Nachfahrin.
    »Schon gut, Hauptmann. Sie haben sicherlich etwas, womit Sie mich aufmuntern können?«
    »Sicher, Großmeisterin. Es ist mir eine Ehre, Ihnen den besten Nurflügler zu übergeben, den ich jemals gebaut habe«, sprach er feierlich und ging mit ihr die schmale Gasse zwischen den Flugzeugen entlang. »Wir haben die Fehler der letzten Version der Lanzelot ausgemerzt und uns noch einmal die Pläne von John William Dünne aus dem Jahr 1907 und danach angesehen.«
    Silena lächelte. Sie wusste, dass es der Hauptmann sehr gerne spannend machte und neue Maschinen wie Geschenke unter dem Weihnachtsbaum präsentierte. »Ich nehme an, Sie haben Dinge entdeckt, die sich verbessern ließen?«
    »In der Tat, Großmeisterin. Dagegen wird die Macchi, mit der Sie gekommen sind, wie eine harmlose Fliege am Himmel aussehen.«
    Sie sah von weitem ein weißes Tuch, unter dem sich eine merkwürdige Silhouette abzeichnete. Die unter dem Rumpf montierte, zehn Schritt lange Lanze war nicht verpackt worden, jemand hatte auf die vierklingige Spitze einen Korken gesetzt. »Sie haben es geschafft, mich sehr neugierig zu machen«, verriet sie dem Mann.
    »Das war Sinn der Sache, Großmeisterin.« Er blieb vor dem Flugzeug stehen und hob eine Kordel vom Boden auf, die zum Tuch führte. Mit der anderen Hand gab er einem Techniker einen Wink.
    Über Lautsprecher wurden die Menschen zusammengerufen und kamen aus allen Ecken der Halle gelaufen, um bei dem historischen Augenblick dabei zu sein; eine Mechanikerin brachte ein Tablett mit Schaumweingläsern und zwei Flaschen.
    »Es ist vollbracht, Leute«, rief Litzow. »Ich bin stolz auf alle, auf jeden Einzelnen von euch. Unsere Arbeit ist getan, und wir übergeben daher die Saint G1 an Großmeisterin Silena. Möge sie Ihnen und den Piloten, die nach Ihnen den Himmel bevölkern und die Drachen jagen, hervorragende Dienste leisten.« Litzow zog an der Kordel, Reißnähte lösten sich, und das Tuch glitt in vielen Stücken von der Außenhaut der Maschine.
    Silena beherrschte sich, um nicht in Lachen auszubrechen.
    Die Saint erinnerte an

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