Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mächte des Feuers

Die Mächte des Feuers

Titel: Die Mächte des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Pratiwin, du wirst doch nicht aufmüpfig werden?, dachte er bei sich.
    Er kannte einige russische Drachen, sie waren alle unbeherrscht, jähzornig und äußerst auf Gewalt bedacht.
    Diese niederen Gelüste mochten seinen derzeit so wertvollen Verbündeten zu einem Risiko werden lassen, und er hoffte sehr, dass er ihn nicht selbst bei einem der nächsten Zusammentreffen auslöschen musste. Es gab auf die Schnelle keinen guten Ersatz. Die meisten jüngeren Drachen hatten sich mehr oder weniger heimlich auf Gorynytschs Seite geschlagen, um den harten Regeln der Altvorderen endlich zu entkommen.
    »Immer diese ungestümen Revolutionäre«, murmelte er ärgerlich und nahm die Suche nach den so köstlich riechenden Trüffeln wieder auf. Weder unter den Menschen noch unter seinesgleichen mochte er sie, die Umstürzler und Weltenwandler. Es wurde Zeit, den Menschen wieder Teile ihrer Zivilisation zu nehmen, angefangen beim Flugzeug bis zu den technischen Errungenschaften des Alltags.
    Ddraig hatte eine sehr gute Idee gehabt. »Bekämpfen wir die Menschen mit ihren eigenen Waffen«, hatte sie gesagt, »beispielsweise durch Manipulationen an der Börse. Schlagen wir die Wirtschaft entzwei, rauben wir ihnen ihren Reichtum – und sie fallen rasch in ein dunkles Zeitalter zurück. Technik braucht Geld.«
    Vouivre stimmte ihr zu. Er würde dafür sorgen, dass Charles der Unerreichte noch mehr Staatsvermögen in sinnlose Prachtbauten steckte. Aus Krisen erwuchsen Kriege, und nicht umsonst klangen die beiden Begriffe ähnlich.
    In ein paar Jahren konnte man einen neuen Krieg der Vasallen in Europa beginnen lassen. Einen zweiten Schlieffenplan würde es nicht geben, und dem kleinen Belgien gedachte er beim nächsten Mal mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Auf eine Umgehung der französischen Truppen würde er nicht mehr hereinfallen. Wenn er jetzt noch einen guten Einfall hatte, wie er Pratiwin enger an sich binden könnte, würde der Tag gut enden. Vor allem dann, wenn er bei seiner Delikatessen-Suche Erfolg hätte.
    Die geruchsempfindliche Zunge hatte die Trüffel lokalisiert, ein wenig Graben in der eiskalten Erde, und Vouivre genoss den intensiven Geschmack des Pilzes.
    Er wurde sich bewusst, dass er eben Gedanken verschwendete. »Ach nein. Iffnar wird dann tot sein und seine Deutschen endlich mir gehören«, lächelte er. Ihm stand ein Duell mit Ddraig bevor, und sobald er die Alte Welt ganz allein besaß, würde er sich um die Neue Welt kümmern, von der er lediglich wusste, dass es auch dort Drachen gab. Alles andere blieb im Dunkel. »Verfluchtes Amerika.«
    Vouivre grub nach einer weiteren Knolle – da stieg ihm ein merkwürdiger Duft in die Nase, den er niemals zuvor gewittert hatte.
    Er schnellte herum und zog den Schlangenleib mit. Das Schwanzende durchtrennte den Stamm eines kleineren Nussbaums; knackend und splitternd kippte er um und bohrte sich in den Schnee. Vögel flatterten erschrocken davon, einige Meter weiter stieg ein Schwarm Krähen mit lautem Gekreisch in den grauen Winterhimmel.
    Vouivre sah nichts, was zu dem Geruch auf seiner Zunge passte. Seltsamerweise bereitete ihm das – Unbehagen?
    Er wollte nicht so weit gehen und es Furcht nennen, er war ein Altvorderer, ein jahrhundertealtes Wesen, das bereits auf die verschiedensten Namen gehört hatte. Er musste sich vor nichts fürchten. Wer ist da?
    Eine Gestalt in einem schwarzledernen Umhang trat hinter einem Baum hervor, darunter wurde eine Rüstung aus Drachenhaut sichtbar. Um den Kopf lag eine weiße Haube mit einem dünnen Sehschlitz für die Augen, darüber stülpte sich ein dicker, dunkler Helm aus gehärtetem Leder. In der Linken hielt sie einen drei Schritt langen Schaft, an dem ein etwas mehr als ein Meter langer Knochenspieß befestigt war.
    »Mein Name ist Ichneumon«, sagte eine Stimme, die ebenso gut männlich wie weiblich sein konnte, aber mit einem ungewohnten Akzent sprach. Vouivre kannte ihn von den Marokkanern oder anderen afrikastämmigen Kolonialfranzosen.
    »Du störst mich beim Genuss seltener Trüffeln, mutiger und törichter Mensch«, machte ihn Vouivre aufmerksam. »Aber der Geschmack auf meiner Zunge ist zu superb, um ihn mit minderwertigem Menschenfleisch zu zerstören. Ich gebe dir fünf Lidschläge, um zu verschwinden, bevor ich dich…«
    Unvermittelt war die Gestalt verschwunden – und tauchte direkt vor ihm auf, um ihm den Knochenspieß wie eine Nadel schräg von unten in den aufgerichteten Leib zu rammen. Vouivre brüllte vor

Weitere Kostenlose Bücher