Die Maechtigen
weiß, was ich gesehen habe!
»Beecher, alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigt sie sich.
Ich werfe einen Blick über die Schulter zurück. Totte muss es auch gesehen haben. Aber er steht mittlerweile schon an seinem Schreibtisch und vermeidet es geflissentlich, in meine Richtung zu sehen. Verstehe. Er ist immer noch sauer, dass ich ihm die Sache mit dem Präsidenten nicht erzählt habe. Und das hier ist jetzt meine Strafe: Ich bin auf mich allein gestellt.
Von mir aus. Ich weiß, was ich gesehen habe.
Dallas wirft mir aus seinem Verschlag einen vielsagenden Blick zu. Er hat es auch gesehen. Er hat mitgekriegt, wie Rina in den Gang geflohen ist … Sie hat sich immerhin von einem Verschlag in den anderen bewegt.
Entspannen Sie sich!, sagt Dallas’ Blick und nickt bedächtig. Nicht in der Öffentlichkeit.
Mein Handy klingelt. Ich nehme das Gespräch sofort an.
»Alles okay mit Mutter?«, frage ich meine Schwester Sharon.
»Es geht ihr gut. Sie geht zum Mittagessen zu Jumbo«, antwortet meine Schwester. Sie spürt die Anspannung in meiner Stimme und fragt: »Und bei dir? Irgendetwas nicht in Ordnung?«
»Bürokram. Ich rufe dich später an«, sage ich und unterbreche die Verbindung, bevor sie zu neugierig wird.
»Beecher, wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?«, wiederholt Rina ihre Frage.
»Ihm geht’s gut«, antwortet Dallas für mich, als er zu uns in den Gang tritt. »Es ist nur der ganz normale Stress …«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Rina schlägt die Hände zusammen, sichtlich froh über das Ende unserer kleinen Auseinandersetzung. »Immerhin trifft man nicht jeden Tag den Präsidenten, was, Beecher?«
Ich werfe noch einen Blick in Tottes Richtung. Sein Kopf ist hinter der Stellwand verschwunden, also beobachtet er mich nicht mehr. Bedauerlicherweise weiß ich nur nicht, ob das gut oder schlecht ist.
»Wenn Sie da drin etwas brauchen«, fährt Rina fort, »helfe ich Ihnen gerne. Ich kann auch vor der Tür warten, falls der Präsident irgendwelche neuen Unterlagen anfordert.«
»Vielen Dank, aber ich komme schon zurecht, Rina«, antworte ich, gehe in meinen Verschlag und setze mich auf meinen Stuhl. Mein Blick fällt auf meine Tastatur, und ich bemerke sofort, dass sie schief steht.
Ich halte die Luft an. Meine Tastatur steht niemals schief. Die Unterlagen auf meinem Tisch sind normalerweise fein säuberlich in zwei Stapel geordnet. Beide Stapel sehen unordentlich aus. Als habe jemand sie durchgesehen.
Bevor ich etwas unternehmen kann, vibriert das Handy in meiner Tasche. Ich denke, es sei meine Schwester, aber als ich es aufklappe, steht USSS auf dem Display.
United States Secret Service.
Ich nehme den Anruf an. »Beecher.«
»Es kann losgehen.« Der Agent am anderen Ende hat einen deutlichen Bostoner Akzent. »Sind Sie soweit?«
»Ich bin in einer Minute da«, erkläre ich ihm.
»Sie sind sofort hier«, antwortet er.
Er legt auf. Das Durcheinander auf meinem Schreibtisch muss warten, als ich zum Treppenhaus renne. Ich habe jetzt andere Probleme.
65. Kapitel
In seiner ersten Zeit im Weißen Haus liebte Orson Wallace so etwas wie das hier am meisten.
»Es ist mir eine Ehre, Mr. President«, sagte ein älterer Mann mit einem ergrauenden Ziegenbart.
»Es ist so fantastisch, Sie kennenzulernen, Mr. President«, fügte eine Frau mit zwei Diamantringen hinzu.
»Ich danke Ihnen sehr, Mr. President.« Eine hochgewachsene Frau mit großen schwarzen Augen streckte ihm die Hand hin.
Seine Rede war zu Ende, und unter dem Applaus der Zuhörer folgte Präsident Wallace seinem Berater zu den Pendeltüren der Hotelküche. Er genoss diese Szenerie so sehr, dass er versuchte, jede ausgestreckte Hand aus der Menge zu schütteln, die gegen die Absperrseile drängte.
Dabei ging es ihm nicht um diese Lobhudelei. Wallace mochte einfach nur die … die Wertschätzung. Dass die Leute sich bedankten. In diesen Tagen und der angespannten wirtschaftlichen Lage tauchten solche Menschenmengen immer seltener auf.
»Vielen, vielen Dank, Mr. President.«
»… es war sehr inspirierend, Sir.«
»… haben uns alle sehr angeregt, Mr. President.«
»Ich hoffe, das Frühstück hat Ihnen geschmeckt, Mr. President«, rief der Küchenchef, als Wallace durch die Küche nach draußen eilte.
»Es war fantastisch. Sie sollten im Weißen Haus kochen«, erwiderte Wallace. Dasselbe Kompliment machte er allen Küchenchefs in jeder Hotelküche, durch die er kam.
»… möchte Ihnen sehr danken«,
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