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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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lustig über mich. Da bemerke ich das Schild an der Wand:
     
    Gerontologisch-psychiatrische Abteilung
     
    Im Flur stehen eine leere Rollbahre, ein leerer Rollstuhl und ein supermoderner Rollwagen. Alles blitzeblank. Es ist unglaublich sauber. An der Wand sind kleine Flüssigkeitsspender zum Desinfizieren der Hände angebracht. Es ist nicht zu übersehen, dass wir uns in einem Krankenhaus befinden.
    »Mir war nicht klar, dass Sie hier eine vollständige medizinische Abteilung haben«, sage ich, als wir an einem offenen Raum vorbeikommen, in dem ein älterer Mann in einem Krankenbett liegt, der an diverse Monitore angeschlossen ist und ausdruckslos auf einen Fernseher starrt.
    »Unsere Bevölkerung ist überaltert. Wir brauchen Einrichtungen, in denen wir uns um sie kümmern können. Das sollten Sie in Ihrem Artikel erwähnen. Den Rest können Sie sich sparen.« Sie will noch etwas sagen, aber wir haben unser Ziel erreicht, den Tresen für die Schwestern, der wie eine riesige Insel mitten in dem großen Raum liegt. Sie bleibt stehen, hebt eine Braue und scheint ein wenig verwirrt.
    »Alles in Ordnung?«, erkundige ich mich.
    »Schon, aber … Nico hat gerade noch hier hinten gewischt.«
    Ich folge ihrem Blick. Stimmt. Die Fliesen glänzen noch vor Nässe.
    »Warten Sie bitte eine Sekunde.« Die Schwester greift zum Telefon und wählt eine Nummer. Während sie auf das Klingelzeichen wartet, betrachte ich den feuchten Fußboden und folge ihm bis …
    Da.
    Ein paar Meter weiter sehe ich zwei parallele Streifen, welche die Räder eines Wischeimers auf dem nassen Fußboden hinterlassen haben. Sie verlaufen so gerade wie Eisenbahngleise, bevor sie scharf nach rechts in ein Krankenzimmer abbiegen.
    »Tracey, ist Nico oben bei dir?«, erkundigt sich die Schwester am Telefon. Während sie auf die Antwort wartet, folge ich den Streifen zu dem offenen Zimmer. Die Lichter sind zwar ausgeschaltet, aber die Sonne scheint durch das Fenster in den Raum. Ich spähe um die Ecke ins Zimmer … Nichts. Kein Wischeimer … kein Nico … nur ein Patient, der an einer dieser komplizierten Maschinen hängt.
    »Großartig! Er ist oben?«, höre ich die Schwester hinter mir. »Perfekt. Großartig. Klar, schick ihn bitte herunter.«
    Sie legt auf, und ich betrachte noch einmal den Patienten. Er ist um die sechzig und liegt auf der Seite, das Gesicht mir zugewandt. Aber er liegt nicht aus freiem Willen so. Man hat ihm Kissen in den Rücken gestopft. Sein Körper scheint wie erstarrt, und seine Hände liegen wie bei einem Leichnam mitten auf der Brust. So haben sie es auch bei meiner Mutter nach der Herzoperation gemacht; sie drehen den Patienten auf die Seite, damit er sich nicht wund liegt.
    Das Merkwürdigste an diesem Mann sind seine Augen; sie sind klein und rot wie bei einer Fledermaus. Ich trete in das Zimmer, und er sieht mich direkt an. Ich hebe die Hand, um mich für die Störung zu entschuldigen, aber ich bemerke rasch, dass er kaum blinzelt.
    Ich betrachte ihn genauer. Sein Blick ist vollkommen leer. Es sieht überhaupt nichts. Er liegt nur da, der ganze Körper ebenso steif wie die Arme auf seiner …
    Moment mal.
    Sein Arm. Da ist etwas an seinem Arm.
    Mir wird heiß, und das Blut steigt mir ins Gesicht. Meine Knochen fühlen sich dünn und zerbrechlich an, fast wie Fischgräten, die man leicht durchbrechen kann.
    Als ich hereinkam, habe ich es nicht bemerkt, weil ich zu sehr mit seinen ausdruckslosen Augen beschäftigt war. Aber da ist sie, prangt verblichen und runzelig auf seinem Unterarm.
    Die Tätowierung.
    Eine verblasste schwarze Tätowierung.
    Die schwarze Billard-Acht.
     

87. Kapitel
    Sechsundzwanzig Jahre zuvor
    Journey, Ohio
     
    »Macht siebzehn Dollar und vierundfünfzig …«
    »Nein … Moment mal … ich habe Coupons«, unterbrach der korpulente Kunde mit dem Stiernacken die Kassiererin, zog ein Bündel Gutscheine hervor und reichte sie der Frau an der Kasse des Supermarktes.
    Die Kassiererin schüttelte den Kopf. »Mein Junge, das hättest du …« Sie schaute hoch und bemerkte, dass der Kunde mit dem schwarzen, bedruckten T-Shirt und den passenden schwarzen Converse-Turnschuhen kein er war. Es war eine sie. »Ich … also … lass mich einfach die Zahlen eintippen …«, stotterte die Kassiererin und wandte hastig den Blick ab.
    Minnie Wallace lebte seit sechzehn Jahren mit dem Turner-Syndrom und kannte diese Reaktion. Sie hatte sich an die peinlichen Blicke gewöhnt. Ebenso wie sie daran gewöhnt war, dass

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