Die Maechtigen
Kopf.
»Was meinst du damit?«
»Orlando … sollte gar nicht dort sein«, stottert Clementine. »Als Orlando den SCIF öffnete und mir seinen Kaffeebecher gab, dachte ich, die Chemo würde ihn nur … Ich glaubte, er würde zu den Klempnern gehören und mich im Auftrag des Präsidenten beobachten. Ich fürchtete, dass sie alles über mich wussten. Ich dachte, es würde ihn außer Gefecht setzen … aber ich habe nie geglaubt, dass …«
»Was soll das heißen, die Medizin ist für dich?«, frage ich.
»Du musst dir nur die richtige Frage stellen, Beecher: nach all den Jahren, warum ausgerechnet jetzt? Warum suche ich ausgerechnet jetzt nach meinem Vater?« Ihr Kinn ist immer noch gesenkt, aber schließlich hebt sie den Blick und sieht mich an. »Sie haben es vor acht Monaten diagnostiziert«, erklärt sie, und die Hand mit der Waffe beginnt jetzt zu zittern. »Ich werde sterben, Beecher. Ich werde sterben an … damals, als Nico in der Army war … Ich werde an demselben Zeug sterben, das sie meinem Vater eingeflößt haben.«
105. Kapitel
»Sie lügt!«, behauptet Dallas.
»Sie haben einen anderen Menschen aus ihm gemacht«, brüllt Clementine. »Bei der Army hat man ihm etwas eingeflößt, wovon er wahnsinnig geworden ist.«
»Hören Sie sich das an, Beecher. Das ist der pure Wahnsinn«, sagt Dallas.
»Es ist allerdings Wahnsinn«, meint Clementine. »Frag ihn, Beecher. Er gehört doch zu den Klempnern, stimmt’s?«
»Ich gehöre nicht zu den Klempnern«, widerspricht Dallas.
»Lass dich von ihm nicht verwirren«, sagt Clementine. »Ich habe es schon gewusst, als ich ihn auf dem Friedhof sah. Aber als ich das über den Tätowierten herausgefunden habe … Frag ihn, womit ich Wallace erpresst habe. Es ging nicht um Geld. Sie haben angebissen und auf meine Nachricht in dem Stein bei dem Grab geantwortet. Aber ich habe nie Geld gefordert.«
»Stimmt das?« Ich wende mich an Dallas.
Er antwortet nicht.
»Sagen Sie es ihm«, faucht Clementine. Ihre Hand ist wieder ganz ruhig, als sie den Finger auf den Abzug legt. »Beecher weiß, dass Sie mit dem Präsidenten und dem Friseur und all den anderen Arschkriechern zusammenarbeiten, die seit Jahren die Wahrheit unterdrücken.«
Dallas dreht sich zu mir um, ohne Clementines Waffe aus den Augen zu lassen.
»Sie hat Akten angefordert«, antwortet Dallas schließlich. »Sie wollte Nicos Armyunterlagen haben.«
»Seine echten Akten«, stellt Clementine klar. »Nicht die gefälschten, die sie ihm bei der Entlassung mitgegeben haben.« Sie sieht meine Verwirrung. »Meine Mutter hat mir die Geschichte erzählt«, erläutert sie. »Sie hat mir erzählt, wie Nico … sie hat mir erzählt, wie er war, bevor er zur Army gegangen ist. Als sie jung waren, hat sie immer das Telefon auf ihr Kissen gelegt, und er hat sie in den Schlaf gesungen. Als er dann jedoch endlich nach Hause kam … als er die Armee verlassen hatte …«
»Er hat die Armee nicht verlassen. Man hat ihn unehrenhaft entlassen. Weil er mit einer Heftklammerzange einem Vorgesetzten ein Auge ausknipsen wollte!«, erwidert Dallas.
»O nein. Sie haben ihn rausgeworfen, nachdem sie ihm dieses Zeug eingeflößt … und einen anderen Menschen aus ihm gemacht hatten«, widerspricht Clementine. »Haben Sie sich jemals die Mühe gemacht, seine gefälschten Akten zu lesen? Da steht, er sei von der Scharfschützenschule der Army in Fort Benning, Georgia, nach Tennessee versetzt worden. Ich habe es kontrolliert. Die Adresse in Tennessee ist die eines alten medizinischen Zentrums der Armee. Nico war nicht nur ein Scharfschütze … er war Patient, und beileibe nicht der einzige.« Sie sieht mich geradewegs an. »Du kennst noch einen, du kennst ihn persönlich.«
»Was meinst du damit?«, erwidere ich stotternd.
»Bevor meine Mutter gestorben ist, hat sie mir die ganze Geschichte erzählt. Du glaubst, sie sind in unsere kleine Stadt gekommen und haben sich nur einen geholt? O nein, es war eine ganze Gruppe. Du kannst mich gern für verrückt halten, aber ich bin nicht die einzige, die mit den Nachwirkungen ihrer Experimente zu kämpfen hat, Beecher. Du hast das auch in dir. Denn deinem Vater haben sie dasselbe angetan.«
Ich schüttle den Kopf. Jetzt ist sie völlig übergeschnappt. »Mein Vater ist gestorben. Er ist auf dem Weg zum Rekrutierungsbüro gestorben. Er ist nicht mal dazu gekommen, den Antrag zu unterschreiben.«
»Du hast das geglaubt. Du hast es geglaubt, weil sie dir das erzählt haben, okay.
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