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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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was das bedeutet. Würde die Polizei ein Gewaltverbrechen vermuten und Untersuchungen anstellen, stände hier etwas. Ich schiebe mir einen Löffel Müsli in den Mund. Zurzeit scheint es also keine Ermittlungen zu geben.
    Das Unangenehme dabei ist, dass ich nicht weiß, ob das nun gut oder schlecht ist.
    Vielleicht war es doch ein Herzinfarkt. Ich habe noch Khazeis Worte im Ohr. Im Augenblick jedenfalls weiß ich nur, dass die Buhmänner alle meiner Phantasie entsprungen zu sein scheinen.
    Diese Theorie hat allerdings einen Haken.
    Ich werfe einen Blick auf die alte, braune Aktentasche aus weichem Leder, die an einem Tischbein lehnt. Sie stammt von meinem Vater. Er starb mit sechsundzwanzig. Er hatte nie Gelegenheit, sie zu benutzen. Heute sind meine Schlüssel darin, das Notizheft, in dem ich alle meine eBay-Verkäufe notiere, und das schäbige, alte Wörterbuch, das aus dem hinteren Fach hervorlugt.
    Vergiss das Videoband und Khazei und alles andere.
    Das Buch. Es geht alles nur um George Washingtons Buch.
    Es gibt einen Grund, dass dieses Buch ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt in diesem Raum war und zufällig gerade vom Präsidenten benutzt wurde. Und solange ich nicht herausgefunden habe, aus welchem Grund …
    Draußen hupt jemand zweimal kurz.
    »Ich komme!«, rufe ich, obwohl er mich gar nicht hören kann.
    Ich schnappe mir Aktentasche und Wintermantel und fege im Eiltempo durch das Wohnzimmer, in dem an einer Wand ein altes schwarzes Ledersofa unter drei gerahmten Fotopostkarten aus den zwanziger Jahren steht. Es sind verschiedene Ansichten einer Feuerwehrparade auf der Hauptstraße meiner Heimatstadt in Wisconsin. Diese Postkarten sind der Hauptgewinn meiner Sammlung – und eine tägliche Erinnerung daran, dass ich dorthin zurück muss, wenn ich es hier vermassele.
    Draußen ertönt schon wieder die Hupe.
    »Ich hab’s ja gehört …!«, rufe ich, als ich die Tür erreiche. Aber als ich sie aufmachen will, sehe ich, dass sie schon offen steht, wenn auch nur einen Spalt. Als hätte ich gestern Abend vergessen, sie richtig zu schließen. Die Sache ist nur, dass ich die Tür jeden Abend sorgfältig zumache.
    Ich bleibe im Eingang stehen und schaue durch die Küche in das Wohnzimmer. Beide Räume sind leer. Kleine Staubflocken wirbeln in der Luft. Ich kontrolliere noch einmal meine Tasche. Das Buch von George Washington ist noch da. Ganz offensichtlich werde ich allmählich paranoid. Nachdem ich endlich hinausgegangen bin, ziehe ich zweimal kräftig an der Tür, um mich zu vergewissern, dass sie zu ist, und laufe dann mit meinem noch feuchten Haar in die Kälte.
    Ein taubenblauer Mustang Cabrio, Jahrgang 1966, wartet mit laufendem Motor auf mich. Es röchelt mit diesem heiseren, grollenden Geräusch vor sich hin, das irgendwie wie ein Raubtier klingt. Der Wagen ist zwar alt, aber in perfektem Zustand. Genau wie der Fahrer, der den Kopf im Takt der Country-Musik im Autoradio wiegt.
    »Nun komm endlich, alter Junge … Du weißt genau, dass ich diese Gegend hier nicht abkann«, begrüßt mich Totte. Er schreit, denn die Fenster des Wagens sind geschlossen sind. Mit zweiundsiebzig Jahren rollt man sie nicht mehr so einfach per Hand runter.
    Ich haste zu seinem Auto und bemerkte dabei einen dürren Mann mit einem karierten, grünen Schal, der am anderen Ende der Straße seinen Hund, einen braunen Dackel, Gassi führt. Eigentlich sind mir alle Nachbarn bekannt, der hier muss neu zugezogen sein. Aber ich kann jetzt nicht länger darüber nachdenken.
    Totte ist nicht nur meine Mitfahrgelegenheit. Er hat mich in meinem Job angelernt, hat mich ermutigt, dieses Haus zu kaufen. Und er ist der Einzige, der wirklich Einzige , der mich nicht wegen Iris herunterputzt, sondern mir immer zuhört, wenn ich über einen neuen Satz alter Postkarten spreche, die ich auf einem Flohmarkt entdeckt habe. Er ist mein Freund. Mein wirklicher Freund.
    Aber er ist auch Archivar, und zwar seit den letzten Tagen der Regierung Lyndon B. Johnsons. Das macht ihn zu dem ältesten, ranghöchsten und abgebrühtesten Archivar, den ich je getroffen habe. Als ich jetzt in sein Auto springe, meine Aktentasche öffne und ihm das ramponierte Exemplar des Wörterbuchs von George Washington in die Hand drücke, hoffe ich inständig, dass wenigstens er herausfinden kann, ob jemand wegen dieses verdammten Buchs einen Mord begehen würde.
     

15. Kapitel
    Dr. Stewart Palmiotti hätte einen schnelleren Weg zur Arbeit nehmen können. Als Leibarzt des

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