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Die Maechtigen

Titel: Die Maechtigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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herunterkam und ihm endlich erklärte, was zum Teufel hier los war. »Er hat sich ganz bestimmt einfach nur verspätet.«
     

16. Kapitel
    »Entick’s Dictionary?«, liest Totte die goldgeprägten Buchstaben auf dem Buchumschlag. Wir kämpfen uns durch den morgendlichen Verkehr auf dem Rockville Pike.
    »Schon mal davon gehört?« Ich drehe das Radio leiser, es spielt immer die gleichen Titel – alte Countrysongs von Willie Nelson, Buck Owens und jetzt Kenny Rogers.
    »Willst du wohl den alten Gambler in Ruhe lassen!«, droht er und schlägt meine Hand weg. Dann zuckt sein Blick schnell wieder zu dem Buch. »Sieht aus wie … oder zumindest was davon übrig ist …« Totte ist auf dem rechten Auge blind, deshalb muss er den Kopf ganz zu mir drehen, um erkennen zu können, dass der Buchrücken abgerissen ist und Seiten fehlen. So fährt er auch Auto, den Kopf immer etwas zum Beifahrersitz gedreht, damit er die Straße besser sehen kann. Der Witz ist, dass es ihm offiziell gestattet ist.
    Die meisten Leute finden, Totte sieht aus wie Merlin – mit dem gruseligen weißen Bart und dem krausen weißen Haar, das er immer zurückkämmt, aber eigentlich sieht er mehr aus wie Colonel Sanders, besonders mit dem grau karierten Jackett und dem Bolo Tie, den er jeden Tag trägt. Er glaubt, mit dem Bolo Tie sähe er modern aus. Stimmt ja auch. Falls man in Scottsdale, Arizona, lebt und das Jahr 1992 schreibt.
    »Ich vermute, frühes neunzehntes Jahrhundert, sagen wir ungefähr …« Totte fährt sich mit der Zunge durch die Wange; er liebt solche Ratespiele. Sogar sein blindes Auge zwinkert. So aufgeregt ist er sonst nur, wenn er mit der etwa sechzigjährigen Frau flirtet, die an der Salatbar in der Cafeteria steht. Aber mit zweiundsiebzig Jahren könnte Aristoteles »Totte« Westman schlimmere Schwächen zeigen. »Ich schätze 1774.«
    »Nah dran. 1775«, erwidere ich. »Du verlierst allmählich dein Feingefühl.«
    »Na klar. Und du? Hast wahrscheinlich auf den Bürgerkrieg getippt, oder?«
    Ich hüte mich, zu antworten.
    »Schau dir die Bindung an«, sagt er und fährt mit dem Finger über den Buchrücken und den offen liegenden Faden. »Seit dem 19. Jahrhundert gibt’s nur noch maschinell hergestellte Deckenband-Fertigung; zwei Kartons und ein Rücken und dann auf die Seiten geklebt. Aber dies hier … das ist ein Kunstwerk. Handgebunden. Oder jedenfalls war es handgebunden, bis jemand es in den Dreck geworfen hat. Gehört es uns?«
    »Das versuche ich gerade herauszufinden.«
    »Du hast noch nicht nachgeschaut? Ob es im System aufgelistet ist?«
    »Das muss ich noch machen. Keine Sorge, ich mach das schon noch. Aber … gestern war …« Ich atme tief durch. »Gestern ist alles schiefgegangen.«
    »Nicht nur für dich. Hast du heute Morgen schon mal einen Blick in die Zeitung geworfen?« Er zieht ein zusammengefaltetes Exemplar der Washington Times neben dem Sitz hervor, das dort neben der Washington Post und der Baltimore Sun steckt. »Offensichtlich hat einer unserer Wachmänner einen Schlaganfall oder so etwas erlitten.«
    Er wirft mir die Zeitung auf den Schoß. Ich überfliege schnell die Geschichte. Sie ist kurz. Versteckt auf Seite zwei des Lokalteils. Ich werde nicht erwähnt. Kein Gewaltverbrechen. Noch nicht einmal Orlandos Name wird genannt »Der Name des Opfers wird zurückgehalten, bis die Familie benachrichtigt worden ist.«
    »In der Post stand nichts davon«, erkläre ich.
    »Natürlich stand nichts davon in der Post . Wenn du nur eine Zeitung liest, bekommst du auch nur eine Hälfte der Nachrichten mit, und zwar abhängig davon, welches voreingenommene Blatt du abonniert hast. Aber kannst du dir vorstellen?«, fährt Totte dann mit völlig ruhiger Stimme fort, »dass jemand in unserem Gebäude tot umfällt, und das genau in dem Moment, in dem Präsident Wallace ankommt, und zudem auch noch genau in der Zeit, als du mit der Tochter von Nico Hadrian durch die Hütte schlenderst? Der Tochter ausgerechnet der Person, die Wallaces Amtsvorgänger ermorden wollte?«
    Ich setze mich stocksteif auf; der Verkehr stockt, und ein Schwarm von Bremslichtern leuchtet uns strahlend rot an. Die einzige Person, die von Nico wusste, war die Frau, die ich im Archiv II angerufen habe. Carrie …
    »Du brauchst gar nicht so schockiert zu tun, Beecher. Glaubst du wirklich, dass Carrie ohne irgendwelche Hilfe die Army-Unterlagen von irgendeinem Kerl aus einem hinterwäldlerischen Kaff in Wisconsin von vor über zwanzig Jahren

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