Die Maechtigen
Service es nicht besonders, wenn Leichen in der Nähe ihres Schützlings auftauchen. Und deshalb haben sie uns Glückspilzen ihre Hilfe bei der Untersuchung von Orlandos Tod angeboten«, erklärt er und beobachtet mich dabei scharf. »Aber was für eine ausgezeichnete Chance. Wenn sie hier fertig sind, haben sie vermutlich jedes Atom, jedes Molekül, jeden DNA-Flecken im gesamten SCIF unter die Lupe und zu den Akten genommen. Weiß Gott, was man da noch alles finden wird, was meinen Sie, Beecher?«
Hinter ihm klingelt erneut der Fahrstuhl, und die nächste Gruppe von Angestellten quillt in den Flur.
»Ach, und übrigens«, setzt er noch hinzu, als sie an uns vorbeiströmen, »was waren das noch mal für Flecken auf ihrem Arbeitskittel, den Sie gestern unter dem Arm zusammengeknüllt mit sich herumgeschleppt haben? Das war doch Kaffee, hab ich recht?«
Ich nicke und zwinge mich zu einem Lächeln, dabei begrüße ich einige vorbeigehenden Kollegen und winke ihnen zu.
»Schönen Tag noch, Beecher«, meint Khazei und geht zum Fahrstuhl. »Wir beide sprechen uns bestimmt bald wieder.«
Kaum ist er im Fahrstuhl verschwunden, blicke ich wieder zur Tür meines Büros. Die Vogelscheuche ist verschwunden. Ich kann wieder durchatmen und …
Nein …
Ich wirble herum und laufe zur Treppe. Fast hätte ich es vergessen.
Sie wartet da unten auf mich.
22. Kapitel
»Warte … noch nicht …« Der Präsident hielt einen Finger hoch und beobachtete die Tür zur Praxis des Doktors, die sich hinter seiner Schwester geschlossen hatte. Die Morgensonne beschien sie.
Palmiotti saß ihm gegenüber hinter seinem Schreibtisch. Unter der Tür konnten sie die Schatten der Mitarbeiter im äußeren Büro sehen.
So war es immer. Selbst in den Privatgemächern des Weißen Hauses hörte immer jemand mit.
»Du hast gerade«, meinte Palmiotti und gab dem Präsidenten ein Handzeichen, »über dein Rückenproblem reden wollen …«
»Es tut verdammt weh«, erwiderte Wallace und behielt die Schatten hinter der Tür im Auge. »Und es wird immer schlimmer.«
Palmiotti dachte kurz nach. »Kann ich vielleicht selbst einen Blick darauf werfen?«
Auch der Präsident überlegte, während er in den vom Schnee befreiten Rosengarten blickte. Es erforderte eine ungeheure Arbeit, bis man es schaffte, dass etwas so unberührt aussah.
»Ich muss darüber erst nachdenken«, antwortete er dann auf Palmiottis Frage. »Im Moment würde ich lieber bei der ursprünglichen Behandlung bleiben.«
»Mr. President …!« Das war einer der Berater, die im Gang warteten. Er musste gehen.
»Bevor du wieder verschwindest«, sagte Palmiotti. »Hast du schon einmal über eine Operation nachgedacht?«
Der Präsident schüttelte den Kopf. »Bei dieser Sache geht das nicht. Nicht mehr.«
»Mr. President …?«, rief der Berater wieder. Vier ungestörte Minuten. Für einen Präsidenten war das eine Ewigkeit.
»Ich muss ein Land regieren«, meinte Wallace zu seinem Freund. »Falls du übrigens nach einem guten Buch suchst …« Er hielt die Leinenausgabe eines Buches mit dem Titel Ein Problem aus der Hölle: Amerika und das Zeitalter des Massenmordes von Samantha Power hoch . »Riskier ruhig einen Blick. Es hat immerhin den Pulitzerpreis gewonnen«, sagte der Präsident und reichte es Palmiotti, drückte es ihm direkt in die Hand.
»Alles klar«, antwortete der Arzt seinem ältesten Freund und blätterte beiläufig in dem Buch. Ein Problem aus der Hölle. Ausgesprochen treffender Titel.
»Ach übrigens, falls du Gabriel siehst …« Wallace ging schon zur Tür. »Sag ihm, er soll einen kleinen Besuch bei Minnies Konferenz für mich einplanen. Aber keinen Fototermin.«
Der Präsident winkte noch einmal wortlos zum Abschied. Aber die Sache war klar.
Für Wallaces ging die Familie vor.
Palmiotti hatte diese Lektion längst begriffen, denn er wusste sehr genau, was auf dem Spiel stand, wenn das Problem tatsächlich so heikel war, wie er glaubte. Jetzt war es noch leicht, auszusteigen, was wahrscheinlich auch das Klügste wäre. Der Präsident marschierte ganz offenkundig auf eine Fallgrube zu. Aber nach allem, was Wallace für ihn getan hatte … was sie beide füreinander getan hatten …
Die Familie ging vor.
»Ach, und Stewie, du brauchst dringend einen Haarschnitt«, setzte der Präsident hinzu. »Du siehst echt schlimm aus.«
Dr. Stewart Palmiotti nickte.
Ein Termin beim Friseur. Genau dasselbe hatte er auch gerade gedacht.
23. Kapitel
»Das
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