Die Maechtigen
verstanden, Beecher: von Gettysburg bis Hiroshima oder wo auch immer, der Culperring hat niemals selbst seine Finger dabei im Spiel gehabt. Sie missverstehen den Auftrag dieser Gruppe vollkommen.«
»Aber in allem anderen haben wir recht, oder? Der Culperring, den George Washington begründet hat, existiert noch.«
Dallas beugt sich auf dem Ledersofa vor. Er kaut mit seinen beiden langen Schneidezähnen auf den spärlichen Barthaaren unter seiner Unterlippe herum. Das tut er auch, wenn er von unserem Boss getadelt wird, weil er nicht genügend briefliche und E-Mail-Anfragen beantwortet hat. Und mir sagt es, dass er zwar einige meiner Fragen sehr gern beantwortet, aber einigen geflissentlich ausweicht.
»Beecher, wissen Sie, was der Präsident der Vereinigten Staaten am dringendsten benötigt? Ich meine nicht nur Orson Wallace, sondern ich meine jeden Präsidenten aus jeder beliebigen Epoche. Nehmen Sie Obama, Clinton, Bush oder von mir aus auch Thomas Jefferson. Was ist es, was sie mehr als alles andere brauchen?«
»Sie meinen außer klugem Rat?«
»Oh, kluge Ratschläge sind billig. He, Sie sind der Präsident. Die Genies dieser Welt rennen ihnen förmlich die Türen ein. Versuchen Sie es noch mal.«
»Das ist jetzt schon ein albernes Spiel.«
»Versuchen Sie es einfach noch mal.«
»Privatsphäre?«
»Die rangiert an dritter Stelle. Sie sind Reagan. Sie sind Obama. Sie haben mehr Macht als sonst irgendjemand auf der Welt. Was also ist noch lebenswichtiger als Privatsphäre?«
»Vertrauen.«
»Ah, schon wärmer.«
»Jemand, der sich um Sie sorgt.«
»Wieder kälter. Denken Sie an George Washington. Warum hat er wohl gesagt, dass der Culperring ihm dabei geholfen hat, den Unabhängigkeitskrieg zu gewinnen?«
»Weil er ihn mit den besten Informationen versorgt hat.«
» Informationen! Bingo. Volltreffer . Jetzt kapieren Sie es, habe ich recht? Das ist das Allerwichtigste für einen Präsidenten, damit er seinen Job erledigen kann: absolut verlässliche Informationen. Können Sie das nachvollziehen?«
»Ich bin schließlich kein Idiot.«
»Dann sollten Sie dies ebenfalls verstehen: Unsere Bürokratie ist so aufgebläht, so riesig … Wenn eine Information endlich auf dem Schreibtisch des Präsidenten landet, ähnelt sie einem abgenagten Hundeknochen. Sie kommt von ihrer Quelle zu einem Supervisor, der sie an einen Analysten weiterreicht, der sie dem Stabschef übergibt, der sie einem stellvertretenden Staatssekretär auf den Tisch legt, der sie an den zuständigen Staatssekretär weiterleitet und dann zu denen, die wirklich das Sagen haben, die dann die Information noch einmal genau durchgehen … und dann landet es mit etwas Glück auf dem Schreibtisch des Präsidenten. Und der soll jetzt basierend auf diesem vollgesabberten und glattgeknabberten Stück Information eine militärische, umweltpolitische oder finanzpolitische Entscheidung treffen, die das Leben von Millionen oder vielleicht sogar Milliarden von Menschen betrifft. Würden Sie darauf vertrauen?«
»So einfach ist das nicht.«
»Doch, genauso einfach ist es. So einfach war es schon immer. Und es ist nach wie vor das größte Problem für jeden Präsidenten: Er ist verantwortlich und trifft jeden Tag Entscheidungen über Leben und Tod. Und die Grundlage dieser Entscheidungen ist die Arbeit ihm völlig fremder Menschen mit unbekannten Hintergedanken. Und da sitzt er also mit all den streng vertraulichen Berichten über jedes nur erdenkliche Problem dieser Welt und fragt sich: Was alles weiß ich nicht? Was alles fehlt in diesen Berichten? Und welche Motive und Vorurteile liegen der Information zugrunde, die ich bekomme? «
»Schön. Der Culperring arbeitet also für den Präsidenten.«
»Wieder falsch. Der Culperring arbeitet keineswegs für den Präsidenten. Er arbeitet für die Präsidentschaft. Diese Gruppe von Menschen ist dem Amt verpflichtet, so hat George Washington das einst bestimmt; es ist eine eingebaute Sicherung für den Fall der Fälle. Denken Sie doch nach, Beecher: Bevor Sie eine Bombe auf Hiroshima werfen und die Stadt auslöschen, wollen Sie ja wohl vollkommen sicher sein, dass die Japaner nicht schon zur Kapitulation bereit sind. Oder bevor Sie Ihren Bruder in Gettysburg abschlachten, wollen Sie sich da nicht vorher überzeugen, dass der richtige General vor Ort ist? Generalmajor Meade wurde nur vier Tage, bevor die Kämpfe bei Gettysburg anfingen, der Oberbefehl übertragen. Ziemlich gutes Timing von Lincoln,
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