Die Mädchen (German Edition)
mehr
nötig. Er konnte sich selbst sehr gut erkennen auf dem Bild, das auf der Seite
abgedruckt war und das ihn beim Verlassen des Gefängnisses zeigte. Auch ohne den
dazugehörigen Text zu lesen, wusste er, dass damit alles vorbei war. Jede
Chance auf ein normales Leben in seiner Heimatstadt war jetzt unmöglich geworden.
Er schob die Zeitung von sich, stützte die Ellbogen auf, ließ den Kopf in seine
Hände fallen und schloss die Augen. Aber es half nichts. Die Überschrift des
Artikels war in sein Hirn eingebrannt und lief wie in Dauerschleife vor seinem
inneren Auge ab. Mädche n mörder
wieder auf freiem Fuß.
Vorher
Ich öffnete die Tür und da stand
sie tatsächlich vor mir, leibhaftig und in Farbe und das im wahrsten Sinne des
Wortes. Sie hatte sich ganz schön rausgeputzt. Sie trug einen schwarzen
Minirock, den man getrost auch als Gürtel hätte bezeichnen können, der aber
ihre langen, schlanken Beine sexy zur Geltung brachte. Dass der Sommer lange
vorbei war, schien ihr entgangen zu sein. Ihr blondes Haar trug sie offen und
ihr Make up ließ ihr makelloses Gesicht strahlen. Die Vorstellung, dass sie das
extra für mich getan hatte, schmeichelte meiner Eitelkeit ungemein. Ich hätte
nicht gedacht, dass es jemals dazu kommen würde, dass meine Fantasie einmal
Wirklichkeit werden könnte, doch nun sah es ganz danach aus. Trotz ihres
aufreizenden Aufzugs wirkte sie zerbrechlich, was mich nur noch mehr zu ihr
hinzog. Aber Vorsicht! Diese Zerbrechlichkeit, die sie ausstrahlte, konnte auch
bedeuten, dass sie eben genau das war, unsicher und wankelmütig. Also musste
ich mich in Zurückhaltung üben, auch wenn es mir noch so schwer fiel. Nur
nichts überstürzen, nicht zu etwas Unüberlegtem hinreißen lassen, sonst war das
alles schneller vorbei, als mir lieb war. Wie gern hätte ich sie zur Begrüßung
geküsst, aber das war heute ein absolutes No go. Ich musste vorsichtig sein,
durfte sie auf keinen Fall gleich beim ersten Date verschrecken.
„Du bist pünktlich“, sagte ich mit
heiserer Stimme. Es war, als hätte ich einen Frosch im Hals. Ich räusperte
mich. „Komm rein."
„Ich hab den Bus genommen“, sagte
sie und trat ein.
Ich schloss die Tür. „Darf ich dir
die Jacke abnehmen?"
Sie ließ sich bereitwillig die
Jacke abstreifen. Dabei kam ich ihr so nahe, dass ich ihren Geruch wahrnehmen
konnte. Ich hielt einen Moment inne, für sie unmerklich, wie ich hoffte, um ihn
zu inhalieren. Sie roch gut, nach Apfel. Vielleicht das Shampoo? Ich hängte die
Jeansjacke an die Garderobe und warf einen Blick auf das knappe rote Top, das
sie trug und mehr verriet als es verbarg. Ich merkte, wie ich hart wurde.
Ruhig, sagte ich mir. Jetzt mach bloß keinen Fehler und verschrecke sie.
„Du möchtest mit mir reden?"
Sie ging ins Wohnzimmer, ohne meine
Frage zu beantworten. „Haben Sie etwas zu trinken?" fragte sie, während
sie sich umsah. Sie nahm auf der braunen Ledercouch Platz.
„Was hättest du denn gern?
Cola?"
„Hm, wie wäre es mit einem Glas
Sekt?" schlug sie mit kokettem Augenaufschlag vor.
„Kein Problem“, sagte ich.
Vorsicht, mahnte die innere Stimme. Geh es ruhig an.
Ich ging zur Küchenzeile, die in
das Wohnzimmer eingelassen war und holte eine Flasche M & M heraus. Ich
nahm zwei Gläser aus dem Schrank und setzte mich neben sie. Mit einem lauten
Korkenknall öffnete ich die Flasche und goss uns anschließend die Gläser
halbvoll.
„Prost“, sagte ich und stieß mit
ihr an. Ich beobachtete, wie sie einen Schluck nahm und sichtlich angestrengt
versuchte, sich nicht zu schütteln. Ich verkniff mir ein Grinsen. Typisch. Sie
war noch in dem Alter, in dem man trockenem Sekt und Wein nichts abgewinnen
konnte. Sie wollte erwachsen wirken, als sie nach Sekt gefragt hatte, obwohl
ihr die Cola bestimmt besser geschmeckt hätte. Doch ich war mir sicher, dass
sie das jetzt durchziehen würde, nur um sich keine Blöße zu geben, auch wenn
sie noch so sehr nach einer Cola lechzte.
„Du wolltest mit mir reden?"
versuchte ich es noch einmal.
Sie nippte leicht an ihrem Glas.
Irgendwie wirkte sie auf einmal wieder etwas unsicherer. „Sie haben doch
niemandem davon erzählt, dass wir uns treffen."
Gott bewahre! Ich war ja nicht
bescheuert. „Natürlich nicht. Ich hoffe, du auch nicht."
Sie schüttelte den Kopf. Dann
huschte ein Grinsen über ihr Gesicht. „Obwohl meine Freundinnen sicher ganz
neidisch wären."
Mir stockte der Atem. „Das geht
aber nicht."
„Ich weiß“, sagte sie
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