Die Mädchenakademie
er zu weit gegangen. Niemals würde sie sich mit Janet anfreunden!
Liebte er diese Frau wirklich? Oder wollte er durch sie nur Potenz signalisieren?
Oisin hatte die Hochzeit absichtlich auf seinen fünfzigsten Geburtstag gelegt, weil er einen neuen Lebensabschnitt feiern wollte. Seine Scheidung lag bereits acht Jahre zurück, nun plante er, den Rest seines Lebens mit Janet zu verbringen, einer superschlanken brünetten Messehostess, die er für einen Messeauftritt engagiert hatte.
Als er Emma von seinen Hochzeitsplänen erzählte, war es aus ihr herausgeplatzt: »Merkst du nicht, dass du das Klischee erfüllst: Reicher Mann schmückt sich mit junger Frau aus der Unterschicht?«
»Sie jobbt nur hin und wieder als Hostess. Eigentlich studiert sie Strategisches Management und strebt eine eigene Karriere an.« Er hatte Emma in seiner groben irischen Art in seine Arme gerissen und sie aus vollem Herzen gedrückt, um ihr zu signalisieren, dass alles gut war.
Die Tatsache, dass Janet kein dummes Püppchen zu sein schien, änderte aber nichts am Altersunterschied. Außerdem ging Emma fest davon aus, dass Janet in Kürze ihr Studium abbrechen würde, weil sie niemals würde arbeiten müssen. Oisin verdiente Millionen.
Aber Geld machte nicht automatisch glücklich, das spürte Emma am eigenen Leib. Sie sah ihren Vater kaum, weil er sehr viel arbeitete und sie bis auf die wenigen Ferienwochen auf dem White Garden College weilte. Zu allem Übel musste sie nun auch noch die Sommerferien im Internat verbringen und einen Nachhilfekurs belegen, weil sie sonst nicht zu den Abschlussprüfungen zugelassen werden würde. Aber ohne das General Certificate of Education durfte sie nicht studieren.
Sie wusste ja nicht einmal, ob sie das überhaupt wollte. Seit ihr Vater mit Janet zusammenkam, wurden ihre Schulnoten immer schlechter, weil sie mit den Gedanken woanders war und sich Sorgen machte.
Diese vermaledeite Janet lief ihr den Rang ab. Sie war größer und schlanker als Emma, ihre Haare glänzten mehr, ihre Lippen waren voller – und sie konnte durch eine kleine Geste die völlige Aufmerksamkeit von Oisin auf sich lenken. Das machte Emma wütend. Bisher war das ihr Privileg gewesen.
Ihre Augen wurden feucht. Emma blinzelte die Tränen weg, setzte sich im Taxi aufrecht hin und schaute zwischen den beiden Vordersitzen durch die Frontscheibe. Sie fuhren bereits auf der Allee, die zum Internat führte. Das weiße Gebäude war schon in der Ferne zu erkennen.
Direktor Hoodle hatte arrangiert, dass sie an den Prüfungen am Ferienende teilnehmen durfte. Das war ein besonderer Service des Colleges. Normalerweise fanden die Abschlussprüfungen am Ende des Schuljahres statt. Doch damit das Internat immer eine einwandfreie Statistik vorweisen konnte, bot es einen Intensivkurs als zusätzliche Vorbereitung an. Jede Schülerin sollte die Prüfungen bestehen und zwar mit einem guten Durchschnitt. Von dem war Emma weit entfernt. Sie fühlte sich orientierungslos. Wozu lernen? Wozu gute Noten, wenn sie nicht wusste, was sie damit anfangen sollte?
Keine ihrer Freundinnen würde dort sein, so viel stand fest. Die Sommerferien würden aus Einsamkeit und Büffeln bestehen, keine reizvolle Aussicht. Außerdem hatten die Mädchen, die ebenfalls den Zusatzkurs belegten, schon zwei Wochen zusammen verbracht. Emma dagegen stieß erst nachträglich zu ihnen. Schuld daran war ihr Vater, der unbedingt an seinem fünfzigsten Geburtstag hatte heiraten müssen, der ausgerechnet in die zweite Ferienwoche fiel. Corben J. Hoodle war not amused über die Verspätung gewesen.
In der ersten Woche hatte Emma zähneknirschend bei den Vorbereitungen geholfen, und sie hatte ihre Mutter Peggy davon abgehalten, Janets Büstenhalter mit in Butter zerquetschten Fliegen zu bestreichen und ihre Höschen mit Mentholspray zu präparieren. Die zweite Woche war reserviert gewesen für die Feier, die mehrere Tage gedauert hatte. Und nun parkte ihr Taxi vor dem Internat.
Sie war zurück im Südwesten Englands, während ihr Vater und Janet auf ihrer Hochzeitsreise das Amazonas-Gebiet bereisten.
Seufzend stieg Emma aus. Der Taxifahrer eilte zum Kofferraum und nahm ihr Gepäck heraus.
Körperlich war Emma angekommen, gedanklich jedoch noch nicht. »Mrs. Janet Fryer«, murmelte sie, steckte sich einen Finger in den Rachen und würgte gekünstelt.
In diesem Moment fiel ihr Blick auf einen Mann, der mit nacktem Oberkörper und nur mit einer abgewetzten Malerhose voller
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