Die Mädchenwiese
der Kater, schlich durch die Hecke. Er hockte sich in den Vorgarten und sah mich vorwurfsvoll an, als wollte er wissen, wo um alles in der Welt ich so lange gesteckt hatte. Ich kämpfte gegen die Tränen an.
»Berta!« Regina neigte traurig den Kopf.
»Du verstehst das nicht!«
»Dann erklär’s mir.« Regina tat einen Schritt auf mich zu. »Du bist meine Freundin und …«
»Nein, bin ich nicht.« Ich erschrak über meinen barschen Tonfall. »Du weißt nichts über mich.«
»Aber, Berta …«
»Lass mich in Frieden!« Als ich die Tür zuknallte, konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. Ich wartete, bis ich die Schritte meiner Freundin nicht mehr hörte. Erst dann drehte ich mich um.
Ferdinand stand hinter mir. Ich senkte den Kopf.
»Gut!«, hörte ich ihn sagen. Anschließend ging er ins Kinderzimmer.
Kapitel 46
Laura schreckte auf. Sie lag auf der Ledercouch ihres Schwagers. Sam hatte sich neben ihr zusammengerollt und den Kopf auf ihren Schoß gebettet. Er zuckte unruhig im Schlaf. Für einen kurzen Moment dachte sie, sein Gemurmel hätte sie geweckt. Doch dann vernahm sie leise Stimmen aus der Diele. Der Name ihrer Tochter fiel.
Als sie aufstand, stöhnte ihr Sohn, schlief aber weiter. Rasch durchquerte sie das Wohnzimmer. Der Himmel war wolkenverhangen. Laura fragte sich, wie lange sie geschlafen hatte.
Im Flur unterhielt sich ihr Schwager mit einem fülligen Mann − Bauer Schulze . »Diese Sache mit der Bestie«, sagte der Landwirt, »können Sie die nicht irgendwie, na ja, mit Vorsicht behandeln und …«
Er brach ab, als er Laura bemerkte. Sie fragte sich, was Bauer Schulze hier zu suchen hatte. Eine andere Frage bereitete ihr allerdings noch viel mehr Angst. »Es ist also wirklich wieder die … Bestie?«
Schulze verzog sein Gesicht. Auch ihr Schwager schien alles andere als glücklich.
»Sag schon!«, rief Laura.
Frank war deutlich anzusehen, wie schwer ihm die Antwort fiel. Er nickte nur. Obwohl Laura nichts anderes erwartet hatte, war die Nachricht dennoch ein Schock. »Und was … was bedeutet das für Lisa? Ist sie … ist sie …?« Sie wollte es nicht aussprechen. Sie wollte nicht daran denken.
»Das mit Ihrer Nichte, das tut mir aufrichtig leid«, hörte sie den Landwirt sagen. »Und jetzt das tote Mädchen.« Er schnaufte schwer. »Das alles ist sehr unangenehm, vor allem dieser ganze Medienrummel, der … der …«
Laura starrte ihn an.
»Nun ja, verstehen Sie mich nicht falsch, aber …« Schulze sah zu Frank. »Der Bebauungsplan Ost steht kurz vor der Absegnung. Wir haben Anfragen einer Menge Firmen, und …«
»Was?«, schrie Laura. »Was wollen Sie mir damit sagen?«
Bauer Schulze trat einen Schritt zurück. »Wie ich schon sagte, verstehen Sie mich nicht falsch, aber …«
»Was gibt es da falsch zu verstehen?«
»Laura, bitte«, mahnte Frank.
»Nein!«, brüllte sie.
»Ich möchte Sie nur bitten«, murmelte Schulze, während er Lauras Schwager ansah, »gehen Sie behutsam vor, ziehen Sie keine falschen Schlüsse, und denken Sie an das Wohl der Gemeinde …«
»Und was ist mit dem Wohl meiner Tochter?«
»Laura, beruhige dich.« Ihr Schwager legte seine Hand auf ihre Schulter. »Lass mich das klären.«
Sie riss sich los. »Da gibt es nichts zu klären. Finde Lisa! Sonst nichts!«
»Das versuche ich …«
»Warum stehst du dann noch hier?«
»Mama?« Sam trat in die Diele und rieb sich die Augen.
Laura griff nach seiner Hand. »Lass uns gehen.« Frank wollte sie aufhalten. Sie schubste ihn von sich. »Fass mich nicht an!«
Sie schlug ihm die Tür vor der Nase zu und rannte mit Sam auf ihr Haus zu. Doch sie kam nur wenige Meter weit, ehe das Blitzlichtgewitter der Reporter einsetzte. Sams Finger hielten ihre Hand umklammert. Laura wich auf die Straße aus. Die Pressemeute folgte ihr unerbittlich.
»Gibt es Neuigkeiten von Ihrer Tochter?«
»Hat die Polizei …?«
»Glauben Sie …?«
Immer mehr Fragen prasselten auf sie ein.
»Hat Ihre Tochter …?«
»Können Sie …?«
»Wissen Sie …?«
Jemand trat ihr auf den Fuß. Laura schrie auf. Plötzlich ergriff jemand ihren Arm und zog sie fort von den Reportern. »Kommen Sie! Weg hier!«
Auf einmal war Lisa blind. Noch während sie sprang, verrutschte der Sack. Ihre Faust traf auf einen Widerstand. Ihr Knöchel knackte. In Lisas Schmerzensschrei mischte sich ein erstauntes Glucksen, gefolgt von einem dumpfen Schlag.
Lisa zerrte den Beutel vom Kopf. Ihr Entführer kauerte benommen
Weitere Kostenlose Bücher