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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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schwieg, was Alex als Zustimmung auffasste.
    »Hast du schon eine erste Leichenschau vorgenommen? Was kannst du mir sagen?«
    Vor einer weiteren Metallpforte blieb Wittpfuhl stehen und drehte sich um. »Du bist nicht mehr im Dienst.«
    »Das höre ich nicht zum ersten Mal.«
    Wittpfuhl vergrub die Hände in den Taschen seines Kittels und wartete. Stille erfüllte den Flur, nur das Sirren der Neonröhren war zu hören.
    »Pass auf«, schlug Alex vor. »Du sagst mir nichts. Du lässt mich einfach einen Blick auf die Leiche werfen. Sollte sich jemand beschweren, kannst du sagen, ich hätte mir unbefugt Zutritt verschafft. Was ja nicht einmal gelogen wäre.«
    Der Arzt schüttelte den Kopf.
    »Wie lange kennen wir uns?«, fragte Alex.
    »Das tut nichts zur Sache.«
    »Mensch, Simon, habe ich jemals Scheiße …« Alex hielt inne, dann flüsterte er: »Bitte!«
    Wittpfuhl schnaufte angestrengt und hielt die Metalltür auf.
    Brühe, Brot und Reis schmeckten grauenhaft. Aber nachdem Lisa alles vertilgt hatte, ging es ihr tatsächlich etwas besser. Als sie die Glasscherbe hochhielt, zitterten ihre Finger nicht mehr so stark.
    »Was, glaubst du, hat er mit uns vor?«, fragte Nina.
    Lisa presste die Lippen aufeinander. Das möchtest du nicht wirklich wissen , schoss es ihr durch den Kopf.
    »Hat er dich …?« Den Rest der Frage ließ Nina unausgesprochen.
    Nein, hat er nicht , dachte Lisa, bevor ihr klar wurde, dass sie es nicht ausschließen konnte. Sie wusste nicht, was er mit ihr getrieben hatte, nachdem sie ohnmächtig geworden war. Die Schmerzen zwischen ihren Beinen, dort, wo er sie gebissen hatte, strahlten in ihren ganzen Unterleib.
    »Meinst du, er lässt uns irgendwann wieder gehen?«, fragte Nina mit zitternder Stimme.
    Lisa schauderte, als sie dachte: Nein, niemals. Diesen Fehler würde er –
    Sie fuhr hoch, als ihr bewusst wurde, dass ihr Peiniger durchaus einen Fehler begangen hatte – er hatte die Glasscherbe übersehen. Und wer einen Fehler machte, beging vielleicht auch noch einen zweiten. Und einen dritten.
    So schnell es ihr wunder Körper zuließ, kroch sie zur Mauer und kniete sich hin. Plötzlicher Schwindel ergriff sie. Sie konnte sich gerade noch rechtzeitig an der Wand abstützen. Als ihr Blick wieder klar war, untersuchte sie die Mauersteine. Es war eine mühselige Arbeit, die sie immer wieder unterbrechen musste, weil ihre Kräfte schwanden. Doch sie gab nicht auf. Als sie sich die Fingerkuppen wundgeschabt hatte, klopfte sie mit den Knöcheln gegen die Steine und horchte, ob sie auf einen Hohlraum stieß. Aber sie fand nichts.
    Plötzlich dröhnte wieder die Musik durch das Gewölbe.
    Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.
    Lisa trieb sich zu noch mehr Eile an und ignorierte die Schmerzen.
    Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan! Geh’n tun sie beide nicht. Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlecht genug , sang die Frauenstimme.
    Die Musik brach ab. Schritte näherten sich.
    Es ist vorbei , dachte Lisa resigniert. Jetzt kommt er dich holen. Er wird dich töten.
    Sie ließ von der Wand ab. Steinchen fielen zu Boden. Im Gemäuer war ein kleiner Spalt zu sehen. Lisa traute ihren Augen nicht.
    Alex folgte Wittpfuhl in einen Raum, der auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Operationssaal wirkte. Weiße Fliesen am Boden, Kacheln an den Wänden, Neonlicht an der Decke. Ein Dutzend Bahren stand in zwei Reihen. Die Liegen waren glücklicherweise leer.
    Der Arzt schloss die Tür und durchquerte den Raum, um zu einem Waschbecken zu gelangen, wo er seine Hände einige Sekunden unter Wasser hielt. Anschließend trocknete er sie langsam ab.
    Alex sah ihn erwartungsvoll an.
    »Eine erste Blutprobe erbrachte neben einem Gemisch aus Ecstasy und Kokain auch Rückstände lokaler Anästhetika«, sagte Wittpfuhl.
    »Aminoamide?«
    Wittpfuhl bejahte. Die Wirkung von Aminoamiden trat zügig ein, ließ aber ebenso schnell wieder nach – nach etwa dreißig bis sechzig Minuten. Es genügte, um ein Opfer in seine Gewalt zu bringen.
    »Was hat man danach mit ihr gemacht?«, erkundigte sich Alex.
    »Man hat sie gefesselt, was die Striemen am Unterarm erklärt. Das Mädchen stand dabei aufrecht, die Arme nach oben gebunden. Es hat sich gegen die Folter gewehrt. Die Fesseln haben dabei immer tiefer ins Fleisch geschnitten.«
    »Folter?«
    »Sagte ich doch.«
    »Was für Folter?«
    Der Mediziner

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