Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
schnell wie nie zuvor in ihrem Leben. Doch wegen der quälenden Schmerzen kam es ihr vor, als bewegte sie sich durch zähe Luft. Sie hörte Schritte hinter sich.
    »Du musst durchhalten!«, flüsterte sie. Denk an Sam! Du kommst zurück! Du hast es ihm versprochen! Die Gedanken an ihren kleinen Bruder trieben sie weiter.
    Die dunklen Kellerwände rückten dichter an sie heran, schienen ihr den Weg abschneiden zu wollen. Sie glaubte, einen heißen Atem in ihrem Nacken zu spüren.
    »Schneller!«, stieß sie ächzend hervor.
    Endlich tauchte eine Treppe auf. Sie hatte die erste Stufe gerade erreicht, als unversehens etwas nach ihren Füßen griff. Sie kam ins Straucheln und fiel auf die Treppe. Er hat dich erwischt!
    Mit Erleichterung beobachtete Laura, wie ihr Sohn an seiner Bionade nippte. Allmählich beruhigte er sich. »Danke«, sagte sie.
    »Nicht dafür.« Der Dorfwirt befühlte eine Beule an seiner Stirn und schritt über die knarzenden Dielenbretter zur Theke. »Das ist mein Job.«
    »Leute vor der Presse retten?«
    »Nein, Getränke servieren. Möchten Sie etwas trinken?«
    Laura leckte sich die Lippen. Es war eine Ewigkeit her, seit sie etwas Flüssiges zu sich genommen hatte. »Ja, ein Wasser, bitte.«
    Er stellte ein Glas Wasser auf den Tisch. Als sie trank, wuchs ihr Durst. Sie leerte das Glas in einem Zug. Lindner ging wieder zur Theke, als behagte ihm ihre Nähe nicht. Nachdenklich schaute er auf einen Zettel, dann zückte er sein Handy. »Paul«, sagte er. »Wo steckst du? Was hast du erfahren? Melde dich doch bitte. Danke.« Seinen Worten folgte unangenehmes Schweigen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Laura.
    »Ja, ja«, murmelte er, »natürlich. Aber was ist mit Ihnen? Wie geht es Ihnen?«
    Laura spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Aber sie wollte nicht weinen, nicht jetzt, nicht hier. »Ich glaube, wir sollten besser gehen.«
    »Vielleicht warten Sie noch eine Weile.« Der Wirt sah zu den Milchglasfenstern, hinter denen die Silhouetten der Reporter zu erkennen waren. »So schnell geben die nicht auf.«
    Die Vorstellung, wieder der Meute ausgeliefert zu sein, behagte ihr nicht. Aber ebenso wenig gefiel ihr der Gedanke, Frank anzurufen und um Hilfe zu bitten. Stattdessen blickte sie auf Sam hinab, der in sich gekehrt seine Bionade schlürfte. Er hatte sich endlich etwas entspannt. Sie setzte sich wieder. »Rauchen Sie?«
    »Nein, Nichtraucher.«
    »Als Kneipenwirt?«
    »Ich trinke auch keinen Alkohol. Aber falls Sie Zigaretten möchten, kein Problem. Welche Marke?«
    »Marlboro. Aber jede andere tut’s auch.«
    Er verschwand in den rückwärtigen Korridor, kurz darauf hörte sie einen Automaten klappern. Als Lindner wiederkam, legte er eine Zigarettenschachtel und ein Heftchen Zündhölzer auf den Tisch.
    »Ich habe mein Portemonnaie nicht dabei«, sagte Laura.
    »Ich schreib’s an«, erwiderte er lächelnd, doch schon im nächsten Moment schien ihm sein Scherz unangenehm zu sein. Er eilte zur Stereoanlage, kurz darauf ertönte Rockmusik.
    Laura steckte sich eine Zigarette an. »Was ist das?«
    »Jefferson Airplane.« Er zeigte ihr eine Hülle. »Kennen Sie die Band?«
    »Ich glaube, das haben meine Eltern gehört. Ihre nicht?«
    Sein Gesicht bekam einen düsteren Ausdruck, dann stoppte er die Musik und legte eine andere CD ein. Nirvanas Come As You Are drang aus den Lautsprechern.
    »So war das nicht gemeint«, entschuldigte sich Laura.
    Achselzuckend setzte er sich ihr gegenüber. »Nirvana ist mir auch lieber.«
    Sie wich seinem Blick aus und betrachtete stattdessen die Bilder an der Wand. Einige zeigten Finkenwerda, wie es vor der Wende ausgesehen hatte. Nicht viel anders als heute , dachte Laura. Auf anderen waren Personen zu erkennen, wahrscheinlich frühere Dorfhonoratioren. Auf einem stand ein kleiner Junge in Shorts zwischen zwei Erwachsenen. Laura zeigte auf das Foto im Holzrahmen. »Sie und Ihre Eltern?«
    Seine Miene verfinsterte sich erneut. Etwas in Verbindung mit seinen Eltern schien ihm nicht zu behagen. Auf der Suche nach einem unverfänglichen Thema ließ Laura ihren Blick durch den Schankraum schweifen. Sie fand den Wassernapf neben der Theke. »Wo ist denn eigentlich Ihr Hund?«
    Lisa wand sich aus der Umklammerung. Die Hände lösten sich von ihren Beinen. Nein, keine Hände. Das sind nur Klamotten! Sie bückte sich und bekam Stoff zu fassen. Es war ein Kleid. Sie verscheuchte die Frage, warum es hier lag, und hielt es fest zwischen den Fingern, als sie die Treppe

Weitere Kostenlose Bücher