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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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am Boden. Er war mit der Schläfe gegen die Mauer geknallt. Am Hals blutete er aus zwei hässlichen Schrammen, dort, wo Lisa ihn mit ihrer improvisierten Waffe getroffen hatte. Alles in ihr sehnte sich danach, ihm den Schädel einzuschlagen. Doch womit? Sie hatte nur einen Nagel und eine Scherbe.
    Sie ließ beides fallen. Rannte los. Es kam ihr so vor, als torkelte sie in Zeitlupe hinaus in das Gewölbe. Mit jedem Schritt, den sie tat, nahmen die Schmerzen wieder zu. Schluchzend kämpfte sie gegen die Qualen an. Als sie endlich den Gang erreicht hatte, warf sie die Gittertür ins Schloss. Der Schlüssel fehlte. Er baumelte am Gürtel ihres Peinigers. Sie traute sich nicht zurück. Wenn er jetzt erwachte, würde sie nicht mehr schnell genug fortlaufen können. Sie war zu schwach, und sie war krank. Sie stolperte weiter. Zwischen den Stahlstreben der nächsten Zelle erschien ein bleiches Gesicht.
    »Lisa!«, schrie Nina. Ihre Wange glühte rot. Von ihrer Stirn troff Blut aus einer Platzwunde. Sie starrte Lisa an. Reflexartig verschränkte Lisa die Arme vor ihrer Brust, ihrer Blöße, ihren Wunden. Sie begegnete Ninas flehendem Blick. Hilf mir, bitte, lass mich hier raus!
    Doch Lisa besaß keinen Schlüssel. Aus ihrer Zelle drang das Scharren schwerer Stiefel. »Es tut mir leid!« Tränen trübten Lisas Blick. »Es tut mir leid.« Sie rannte weiter.
    »Lisa!«, rief Nina voller Panik.
    »Ich komme wieder«, stieß Lisa keuchend hervor. »Ich hole Hilfe.«
    Alex nahm die Abfahrt zur Landstraße. Das Klappern des lädierten Wagens verstärkte noch das Chaos in Alex’ Kopf.
    Die Bestie ist zurück. Doch wieso erst jetzt?
    Je länger er darüber nachdachte, umso mehr wuchs seine Überzeugung: Die Antwort auf diese Frage barg zugleich die Lösung, mit der er den Killer in seinem Treiben würde stoppen können. Er überlegte verbissen, bis er das Gefühl hatte, dass sein Schädel rauchte. Trotzdem wollte ihm keine schlüssige Antwort einfallen. Drei verdammte Jahre! Warum?
    Am Ortsrand von Finkenwerda fuhr er eilig an den Transportern der Spurensicherung vorbei. Reporter trieben sich ungeduldig vor ihren Übertragungsfahrzeugen herum. Überrascht fand Alex die Elster verschlossen vor. Die Lichter im Innern waren gelöscht.
    Als Alex aus dem Wagen stieg, bemerkte er eine Gestalt, die abseits im Schatten an der Kneipenmauer lehnte. Alex erkannte den untersetzten Mann mit dem schwammigen Gesicht und der rauen Stimme. Sackowitz war einer jener Reporter, auf deren Mist vor drei Jahren der Name Straßenbestie gewachsen war.
    »Herr Lindner? Haben Sie kurz Zeit?«, fragte Sackowitz und stieß sich von der Wand ab. »Sie waren doch damals in den Fall involviert, oder?«
    Alex eilte zum Kneipeneingang.
    Der Journalist schloss zu ihm auf. »Das tote Mädchen im Wald, glauben Sie, das hat was …?«
    Ein Schrei hallte über die Dorfstraße. Laura Theis und ihr Sohn standen etwas entfernt und waren umringt von Reportern. Alex eilte hinüber und drängte sich durch die Meute. Die Frau war der Panik nahe.
    »Kommen Sie.« Alex ergriff ihren Arm. »Weg hier!« Er schubste die Journalisten beiseite, während er Mutter und Sohn mit sich zog. Doch die Reporter folgten ihnen.
    »Herr Lindner«, rief Sackowitz, »nur ein Wort …«
    Alex knurrte: »Gehen Sie mir aus dem Weg!«
    Er entriegelte die Eingangstür zur Elster , schob Laura Theis und Sam in den Gastraum und verschloss die Tür hinter sich. Nacheinander flammten die gelben Lampen auf. An einer der Holzsäulen des Tresens klebte ein Zettel: Hallo, Alex, hab da was Interessantes erfahren. Könnte wichtig sein. Hab mir ein Taxi genommen. Melde mich bei dir. Gruß, Paul – PS : Du wirst dich wundern!
    Alex legte die Notiz beiseite. Die Dielenbretter knarrten unter seinen Schritten. Laura Theis sank auf die Eckbank am Stammtisch, ihr Sohn klammerte sich zitternd an ihren Arm.
    Alex ging vor ihm in die Knie. »Warst du schon mal in einer Kneipe?«
    Der Kleine wich seinem Blick aus.
    Alex zwang sich zu einem Lächeln. »Möchtest du eine Bionade?«
    Lisa stolperte weiter und hielt die Hände schützend vor ihren Leib. Ninas verzweifelte Stimme folgte ihr durch das finstere Gewölbe.
    »Ich hole Hilfe«, wiederholte Lisa, während sie an weiteren Zellen vorbeitaumelte. Einer dieser Verschläge musste der Raum sein, in dem er sie misshandelt hatte. Sie glaubte sogar, die Überreste ihres Kleides zu sehen. Obwohl sie bei dem Gedanken an eine nackte Flucht schauderte, rannte sie weiter, so

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