Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
und Nagel klemmte sie zwischen die Finger ihrer Faust. Mit der freien Hand zog sie den Sack über den Kopf und hockte sich auf die Matratze. Kurz darauf schwang die Gittertür auf. Durch den schmalen Schlitz im Beutel sah Lisa ihren Peiniger. Er war so groß. So kräftig. Sein Gesicht vor Zorn verzerrt. Du hast keine Chance gegen ihn , wisperte eine Stimme in ihr, und ihre Hoffnung schwand. Du kommst hier nicht raus. Niemals. Es ist vorbei. Er wird dich töten.
    Unerwartet blieb er stehen und musterte stirnrunzelnd den Spalt im Mauerwerk.
    Lisa sprang auf, mit der Faust voran.
    Kapitel 45
    Ich weiß nicht, wie lange mein Mann mich in den Keller sperrte. Zwei Tage oder eine Woche. Ich wollte nur zu meinem Sohn, ihn stillen, wickeln, pflegen. Doch Ferdinand reagierte nicht auf meine Rufe, nicht auf mein Hämmern an der Tür. Irgendwann kam ich gegen die Schmerzen nicht mehr an. Der Druck, der meine Brüste anschwellen ließ, weil ich die Muttermilch nicht loswerden konnte, war unerträglich. Mit letzter Kraft rollte ich den alten Läufer aus, der in der Ecke lehnte. Ich sank darauf nieder und ergab mich in mein Schicksal.
    Das Atmen fiel mir schwer. Noch immer meinte ich die Finger dort zu spüren, wo mein Mann sie auf meine Kehle gepresst hatte. Ich untersuchte meine geschwollene Nase, glücklicherweise war sie nicht gebrochen. Ich zählte die tiefen Wunden, die Ferdinands Zähne in mein Fleisch gegraben hatten, und befühlte die Prellungen. Mir stiegen Tränen in die Augen.
    Aber die Verletzungen waren nicht das Schlimmste. Auch nicht der Hunger, der irgendwann kam, weil mein Mann mir nichts zu essen brachte. Nicht der Urin, der mir warm über die Schenkel lief, weil meine Blase ihn nicht mehr halten konnte. Nicht mein Husten und die wirren Fieberträume, unter denen ich mich wälzte, bis die schwärenden Wunden an meinem Körper mich weckten.
    Das Schlimmste war meine Furcht. Furcht um mein Baby, das Ferdinand, dieses Scheusal, unmöglich stillen, füttern und versorgen konnte. Die Angst bestimmte jeden meiner Gedanken. Verwandelte mich in ein zitterndes Bündel, das sich nach jedem Geräusch im Haus verzehrte. Plötzlich hörte ich Babygeschrei.
    Mir wurde warm ums Herz.
    Irgendwann entriegelte mein Mann die Tür. Er warf ein Kleid herein. »Zieh das an. Dann komm!«
    Weil meine Gelenke von der Kälte ganz steif waren, fiel mir das Laufen schwer. Ich hustete und nieste. Mühsam schleppte ich mich die Stufen hinauf. Durch die Fenster strahlte die Sonne. Ihrem Stand nach zu urteilen war es Nachmittag. Mein Blick wanderte den Flur entlang ins Wohnzimmer, in die Küche. Im gleichen Moment erklang aus dem ersten Stock Babygeschrei. Gott sei Dank , dachte ich überglücklich und wollte die Treppe hinauf.
    Ferdinand hielt mich zurück. »Erst machst du mir Abendbrot. Dann …«
    »Bitte«, flehte ich.
    »… wirst du dich hierum kümmern.« Er drückte mir einen eigentümlichen Saugnapf und ein Plastikfläschchen in die Hand.
    Irritiert sah ich ihn an.
    »Saug die Muttermilch ab«, erklärte er. »Dann kann ich ihm das Fläschchen geben.«
    »Aber …«
    Ferdinand beugte sich bedrohlich über mich. »Möchtest du wieder in den Keller?«
    Ich schüttelte den Kopf und ging in die Küche.
    »Gut«, sagte Ferdinand, so als wäre nichts geschehen, und ging zur Treppe. Auf der untersten Stufe drehte er sich um. »Und mach dich sauber. Du siehst erbärmlich aus.«
    Im Spülbecken wusch ich mein Gesicht und die Haare. Anschließend legte ich ein Filet in die heiße Pfanne. Als ich gerade meine geschwollene Brust entblößte, um den Saugnapf anzusetzen, klopfte es an der Tür. Durch das Küchenfenster konnte ich Regina im Vorgarten sehen.
    »Wer ist es?«, polterte Ferdinand.
    »Nur der Nachbar«, rief ich. Regina hob bereits die Hand, um ein zweites Mal anzuklopfen. Ich bedeckte meine Brust, quälte mich in den Flur und öffnete die Tür, bevor ihr neuerliches Hämmern durch das ganze Haus hallen konnte.
    »Meine Güte!« Regina starrte mich an wie einen Geist. »Geht es dir gut?«
    »Ja, es ist nur eine Grippe.«
    Sie nickte. Es war offensichtlich, dass sie mir nicht glaubte.
    »Willst du mich nicht hereinbitten?«, brach sie schließlich unser Schweigen.
    »Weißt du, es ist gerade ungünstig …«
    »Ich hörte, du bist Mutter geworden?«, unterbrach sie mich. »Was ist es denn?«
    »Ein Junge.«
    »Wirst du ihn mir mal zeigen?«
    »Ein andermal.«
    »Es wird kein anderes Mal geben, oder?«
    Ich hörte ein Maunzen. Eduard,

Weitere Kostenlose Bücher