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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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in ein paar Lagen Klopapier. Anschließend spülte er den blutigen Klumpen die Toilette hinunter. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer kramte er in seinem Rucksack. »Hier. Das habe ich gefunden.«
    Er drückte Alex einen Zeitungsartikel in die Hand. Die Kopie einer vergilbten Seite. Das Foto, mit dem der Artikel bebildert war, zeigte ein hübsches Mädchen, schlank, schwarzhaarig. Die Bildunterschrift verriet, dass ihr Name Margrit Grote war, sechzehn Jahre alt, aus Berlin. Datiert war der Bericht auf den 28. Oktober 1989.
    Alex überflog den Text. Demnach war Margrit von einem Tag auf den anderen verschwunden. Angeblich, so hieß es, sei sie von zu Hause ausgerissen. Die Eltern hatten das nicht glauben wollen und sich an die Zeitung gewandt.
    »Klingt alles ziemlich bekannt«, bemerkte Paul.
    Alex hob den Kopf. »Weißt du, wie viele Mädchen jedes Jahr in Deutschland verschwinden? Wo ist die Parallele zu den jetzigen Fällen?«
    Paul reichte ihm einen weiteren alten Zeitungsbericht. Dieser war zwei Wochen später erschienen, am 14. November 1989. Er bestand nur aus wenigen Zeilen, die sich folgendermaßen zusammenfassen ließen: Margrit G. tot in Finkenwerda gefunden.
    »Mehr habe ich im Archiv nicht dazu entdecken können.« Paul hielt sich ächzend die geschwollene Nase. »Aber ich denke, du weißt, wer uns etwas dazu sagen kann.«
    »Und wie kommen wir dorthin?«
    »Mit meinem Peugeot, den ich vorhin geholt habe«, erklärte Paul und wandte sich zur eingetretenen Wohnungstür.
    Laura hielt die Hand ihrer Tochter, sie wollte sie gar nicht mehr loslassen. Sie würde hier sitzen bleiben und so lange warten, bis sie Lisa wieder in den Arm nehmen, aus dem Krankenhaus begleiten und nach Hause und zurück zu Sam fahren konnte.
    Lisa entwich ein langes Seufzen, als hätte sie den Gedanken ihrer Mutter gespürt. Im nächsten Moment fielen ihr die Lider zu, ihr Lächeln erstarb, und ihr Kopf kippte zur Seite. Laura erschrak. Doch die Apparate, an die Lisa angeschlossen war, fiepten und piepten normal weiter wie bisher. Auch Dr. Liss blieb unbewegt im Türrahmen, hielt die Arme über Kreuz, die Finger seiner rechten Hand im grauen Bart vergraben.
    Laura entspannte sich. Ihr Blick fand zurück zum fahlen Gesicht ihrer Tochter. Lisa hatte wieder die Augen geöffnet.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte Laura, »alles tut mir so leid.«
    Lisa wollte den Kopf vom Kissen heben, doch ihr fehlte die Kraft.
    »Alles wird wieder gut, hörst du? Ich werde bei dir sein. Immer. Das verspreche ich dir.« Laura war sich nicht sicher, aber sie glaubte, ein Zucken unter ihren Fingern zu spüren − Lisas Hand, die auf ihre Worte reagierte. Ein warmes Gefühl durchströmte sie erneut. »Dein Onkel ist auch da. Sieh nur.«
    Frank trat einen Schritt vor. Er lächelte. »Lisa, ich bin so froh, dich zu sehen. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Wir kümmern uns um dich. Du bist jetzt in Sicherheit, verstehst du?«
    Lisa zuckte erneut.
    »Sie hört dich!« Lauras Herz klopfte aufgeregt.
    »Lisa, ich möchte dir einige Fragen stellen«, sagte ihr Schwager, »wenn du das nicht willst, kann ich das verstehen, aber …« Er rieb sich die Augenbraue. »… es ist wirklich wichtig.«
    Er sah Laura fragend an. Sie schüttelte den Kopf. Frank beugte sich etwas vor, senkte seine Stimme. »Weißt du, wer dir das angetan hat?«
    Lisas Mund verzog sich und erstarrte. Sie bemühte sich zu sprechen, aber über ihre aufgesprungenen Lippen kam nur ein undeutliches Krächzen. Gleich darauf noch ein zweites, gemurmeltes Wort. »Nina.«
    »Nina?«, echote Frank. »Hat er sie auch entführt?«
    Lisas Brustkorb hob und senkte sich ruckartig.
    »Weißt du …«
    »Es ist besser, Sie hören auf!« Dr. Liss trat an Lisas Bett.
    »… wo er sie gefangen hält?«
    »Sie sollten jetzt das Zimmer verlassen«, mahnte der Arzt.
    Doch Frank dachte nicht daran. »Lisa? Wo hält er sie gefangen?«
    »Im Bunker«, murmelte Lisa.
    »Gehen Sie jetzt!«, verlangte Dr. Liss.
    »Im Bunker?«, fragte Frank.
    Lisas Augen weiteten sich. Im selben Moment spielten die Instrumente verrückt.
    Sam schaute auf, als plötzlich etwas platschte. Vor ihm tauchte ein Vogel in den Kanal. Sein breites Hinterteil ragte steil aus dem Wasser. Fasziniert beobachtete Sam das Gefieder, bevor der Kopf wieder auftauchte, mit einem zappelnden Fisch im riesigen Schnabel.
    Es war ein Kormoran. Zum ersten Mal sah Sam den Vogel leibhaftig, und er war noch größer, als er ihn sich nach den Erzählungen

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