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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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seiner Schwester. An die Wut, die er auf sie verspürt hatte. Und an die alte Kirchberger, die ihren Weg gekreuzt hatte, kurz bevor das bitterliche Schluchzen über die Dächer des Dorfes geweht war.
    Sam streifte sich seinen Pullover über und schlüpfte in seine Schuhe. Obwohl sich sein Fuß dagegen wehrte, schlich er auf Zehenspitzen in den Flur. Seine Tante saß im Wohnzimmer auf der Couch. Über den Bildschirm flimmerte Das perfekte Dinner.
    Er zögerte und überlegte einen kurzen Moment, ob er zu ihr in die Stube gehen sollte. Sie hören dir eh nicht zu. Sie glauben dir nicht , schoss es ihm durch den Kopf. Vorsichtig öffnete er die Haustür, das Schloss klickte leise. Er blieb stehen. Doch seine Tante hatte offenbar nichts gehört.
    Draußen schlug ihm ein kühler Wind entgegen. Nebel waberte in dichten Schwaden über die Straße und ließ ihn frösteln.
    Er stahl sich über den Bürgersteig davon. Die Suppe vor seinen Augen wurde mit jedem Schritt dichter. Er hörte ein Knurren.
    Lisa wartete, doch das andere Mädchen antwortete nicht. Deshalb wiederholte sie ihre Frage. »Wer ist Christina?«
    »Eine Freundin von mir«, flüsterte Silke.
    »Du lügst!«
    »Tu’ ich nicht.«
    »Sag die Wahrheit!«
    Silke unterdrückte ein Husten.
    »Hat dieser Psycho sie hier auch eingesperrt?«
    Sie erhielt keine Antwort von Silke.
    »Wo ist Christina hin?«
    »Vergiss es einfach«, raunte Silke.
    »Scheiße, nein.«
    »Sei leise.«
    »Verdammt, Silke!« Lisas aufgewühlte Stimme hallte durch das dunkle Gewölbe. »Jetzt red schon!«
    »Ist doch egal«, sagte Silke.
    »Das ist es nicht.«
    »Es spielt keine Rolle.«
    »Das tut es wohl!«
    »Sei bitte leiser.«
    »Du kannst mich mal.«
    »Halt endlich den Mund«, rief Silke. »Oder willst du so enden wie Christina?«
    Als hätte Silke ihr die Faust in den Magen gerammt, sank Lisa auf die Knie. Sie schmeckte bittere Galle auf ihrer Zunge.
    Silke hustete. »Es tut mir leid.«
    »Nein, mir tut es leid«, entgegnete Lisa. Noch vor wenigen Minuten hatte sie geglaubt, in Silke eine Freundin gefunden zu haben. Im nächsten Augenblick hatte sie sich mit ihr gestritten.
    »Christina war in deiner Zelle«, hörte sie Silke sagen.
    »Was ist mit ihr passiert?«
    Erneut verging viel Zeit, bis Silke reagierte. »Ich … Ich weiß nicht genau, wann es war. Ich glaube, einen Tag nachdem er mich hier eingesperrt hat. Da hat er …« Sie verstummte.
    Lisa wartete. Als sie sich sicher war, dass Silke nicht weitersprechen würde, fragte sie: »Hat er sie …?«
    »Ich weiß es nicht«, unterbrach Silke sie, »aber … sie hat geschrien, ich hab’ es gehört, die ganze Zeit, ich weiß nicht, wie lange, es war furchtbar. Und jetzt …« Ihre Stimme bebte. »Jetzt ist sie weg. Bist du nun zufrieden?«
    Lisa holte tief Luft. »Vielleicht hat er sie ja freigelassen.«
    »Ja, vielleicht«, krächzte Silke. Es klang wie: Das glaubst du doch selbst nicht!
    Lisa schleppte sich zur Matratze, der ein beißender Gestank entströmte. Man sucht nach dir , sprach sie sich Mut zu. Berthold sucht nach dir. Mama sucht nach dir. Ganz sicher tun sie das!
    Doch eine kleine Stimme wisperte in ihrem Hinterkopf: Aber was, wenn man dich weit weggeschafft hat? Wenn man dich deshalb nicht rechtzeitig findet? So wie man Christina nicht gerettet hat. Oder Silke, die krank und schwach in ihrer Zelle kauert.
    Kapitel 25
    Nur langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit in meinem Zimmer. Onkel Rudolf saß auf dem Stuhl in der hinteren Ecke. »Hast du ihm etwas erzählt?«
    Zögernd schüttelte ich den Kopf.
    »Wirst du ihn wiedersehen?«
    Das Sprechen fiel mir schwer. »Ich … weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht?« Mit einem Ruck stand er auf. »Dann sollte ich dir wohl bei deiner Entscheidung helfen.« Seine Hose glitt zu Boden.
    Ein Zittern ging durch meinen Körper. Ferdinands Worte kamen mir in den Sinn: Genug der Sorgen! Wenn doch bloß alles so einfach wäre.
    »Was ist?«, herrschte mein Onkel mich an.
    Ich würgte meinen Ekel hinunter, schob mein Kleid hoch und bückte mich, so wie er es am liebsten mochte. Seine Finger krallten sich in mein Gesäß. Grob zwängte er sich dazwischen. Aber an diesem Abend gelang ihm sein Vorhaben nicht, was seine Wut nur noch steigerte. Er nahm seine Finger zu Hilfe, bohrte sie tief und mit Gewalt in mich hinein.
    Ich dachte, es zerreißt mich. Ich wollte schreien. Ich biss mir auf die Unterlippe, bis ich Blut schmeckte. Verzweifelt beschwor ich eine schöne

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