Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
Flasche auf die Kommode. Gizmo bekundete heulend sein Missfallen. Bens Stimme war kaum zu verstehen. Aber das war auch nicht nötig. Alex kannte die Antwort.
    Sam erwachte von einem Geräusch. Das Rascheln von Laub. Zweige, die brachen. Er riss die Augen auf. Dunkelheit. Finster wie der Wald. Etwas umklammerte seine Beine. Hände, die ihn nicht mehr losließen. Er strampelte, wollte schreien und –
    Das behäbige Schaukeln der Matratze brachte ihn zur Besinnung. Es war nur die Bettdecke, die sich im Schlaf um seine Beine geschlungen hatte. Es war nur ein Traum. Alles ist nur ein Alptraum gewesen.
    Er rollte sich auf die Seite. Sein Schlafanzug klebte ihm auf der Haut. Durch die Jalousie fiel Tageslicht ins Zimmer, die Bäume, die draußen vor dem Fenster im Morgenwind schaukelten, brachten die Lichtstreifen zum Zucken. Schatten tanzten an der Wand und über das Regal mit den Büchern und Comics. Aber es war nicht das Regal in seinem Zimmer zu Hause. Er war bei seinem Onkel und seiner Tante.
    Wie von selbst kroch seine Hand unter der Bettdecke hervor, befühlte seine Wangen und den Schorf der Kratzer, die er sich auf seiner Flucht in der Nacht zuvor im Wald zugezogen hatte. Er bewegte die Füße, spürte im Zeh den dumpfen Nachhall seiner Schmerzen. Plötzlich war ihm kalt. Er rollte sich auf den Rücken und zog die Bettdecke bis ans Kinn. Neben seinem Kissen lag Mr Zett. Es war nicht nur ein Alptraum!
    Die Schatten an der Wand erschienen ihm nun wie gefährliche Gestalten, die nach ihm greifen und ihn fortschleifen wollten, zurück auf die Lichtung, zur Kirchberger, zu der Hexe. Ein junges Mädchen. Ihre Schönheit. Ihr Schmerz.
    Stimmen drangen an Sams Ohr. Sein Onkel, seine Tante, vielleicht auch seine Mutter, die sich irgendwo im Haus miteinander unterhielten. Ihr Klang beruhigte ihn etwas. Er schob Lisas Teddybären beiseite und stieg aus dem Bett. Er musste endlich mit seinem Onkel über das reden, was er am Abend zuvor im Wald beobachtet hatte. Er musste dafür sorgen, dass Onkel Frank ihm endlich zuhörte. Und ihm Glauben schenkte.
    Sam warf seinen durchgeschwitzten Schlafanzug aufs Bett, zog Jeans und einen frischen Pullover an. In diesem Aufzug, hoffte er, würde sein Onkel ihn ernst nehmen. Ernster als in einem Pyjama mit Bart-Simpson-Motiven. Im Flur hing der Duft frischer Brötchen. Die Küchentür war angelehnt.
    »… die ganze Nacht unruhig geschlafen«, sagte Sams Tante.
    »Ist ja kein Wunder«, brummte sein Onkel. »Der Junge macht sich nur noch verrückt. Gestern Abend dachte ich, er hyperventiliert und kippt mir um.«
    »Ich habe gerade nach ihm gesehen, da hat er noch geschlafen«, hörte Sam die Mutter seiner Tante sagen.
    Diese war eine schwerfällige Frau, die Probleme mit ihren Beinen hatte. Sam mochte sie, weil sie so etwas wie eine Oma für ihn war und wie er Spaß an Mensch-ärgere-Dich-nicht und Mikado hatte. Jetzt füllte sie den Kaffeefilter und schaltete die Kaffeemaschine ein. Anschließend ließ sie sich bei den anderen am Tisch nieder. Das Knarzen der Stuhlbeine auf den Fliesen verschluckte die Worte von Onkel Frank.
    »Also bleibt er heute zu Hause?«, fragte Renate.
    »In seinem …« Die Kaffeemaschine wurde so laut, dass Sams Onkel kaum zu verstehen war. »… habe Angst … Sorgen …«
    Sam machte einen Schritt nach vorne und war im Begriff, die Tür aufzustoßen. Nicht ich bin in Gefahr, sondern Lisa! Er blieb stehen, als sein Onkel erklärte: »… vielleicht … Arzt …«
    »… manchmal … Laura …«, sagte Tante Renate. »… besser … in … Heim.«
    Sam war wie vor den Kopf gestoßen.
    In ein Heim? Er konnte es nicht glauben. Doch er hatte es vor wenigen Sekunden gehört.
    Er zog seine Schuhe an und trat hinaus auf die Straße.
    Der kleine Sam, gestern Abend , dachte Alex. Er ist nicht nach Hause gegangen, und er hat so entschlossen gewirkt . »Was hat Lisas Bruder von dir gewollt?«
    Ben presste die Lippen aufeinander. »Wolltest du nicht nach Berlin? Deine Adoptionsakte prüfen? Ich dachte, das wäre eilig …«
    »Das hat Zeit bis morgen.«
    »Morgen habe ich keine Zeit«, erwiderte Ben trotzig. »Ich bin die nächsten drei Tage auf Fortbildung.«
    »Meinetwegen, aber jetzt verrat mir, was Sam von dir wollte.«
    »Alex, lass es doch einfach …«
    »Jetzt red schon!«
    »Du wirst keine Ruhe geben, oder?«
    »Was glaubst du?«
    Ben seufzte. »Er hat mich nach einem Jungen gefragt.«
    »Welchem Jungen?«
    »Zack.«
    »Zack?«
    »Sein richtiger Name ist

Weitere Kostenlose Bücher