Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
hielt. Wir hatten zwar noch nicht darüber gesprochen, aber in Zukunft, beschloss ich, würde ich mich um unser Zuhause kümmern.
    In der Küche wollte ich mir ein kleines Frühstück zubereiten, allerdings enthielten die Schränke und Schubladen kaum Zutaten. Ich sah mich nach einer Abstellkammer um, fand aber nur eine schmale Tür, die hinab in den Keller führte. Es war der einzige Teil des Hauses, der nicht renoviert war. Im Licht einer Glühbirne erkannte ich zwei Räume, auf deren Lehmboden sich Plunder stapelte, für den es an anderer Stelle im Haus keine Verwendung gab: ein alter Läufer, ein Lampenschirm und Umzugskartons.
    Ich ging hinaus in den Garten, der von einer dichten Hecke eingegrenzt wurde. Einige Pflanzen ließen die Köpfe hängen. Ich nahm mir vor, noch am selben Tag für Abhilfe zu sorgen. Außerdem malte ich mir aus, wie es wäre, Tiere zu halten, Hühner und Gänse, vielleicht auch einen Hund. Oder Katzen. Wie eine kleine Familie. Allmählich begann mein neues Leben vor meinen Augen Gestalt anzunehmen.
    Damit Sie mich nicht falsch verstehen, ganz brach ich mit meiner Vergangenheit freilich nicht. Ich hatte beschlossen, auch in Zukunft meinen Teil zum Erhalt der Bäckerei beizutragen. Es war schließlich das Geschäft meines Vaters. Da ich an diesem Tag nichts weiter vorhatte, gab es keinen Grund, damit zu warten. Doch ich ging mit einem flauen Gefühl hinüber in den Laden.
    Mein Onkel begrüßte mich missgelaunt. »Ich dachte, du …«
    »Ferdinand musste nach Berlin«, erklärte ich schnell.
    »Aha.« Mehr sagte er nicht.
    Erleichtert band ich mir die Schürze um und half meiner Tante hinter der Verkaufstheke. Mittags besuchte ich meine Mutter, deren tägliche Pflege ich ebenso weiterhin zu meinen Pflichten zählte. Ich erzählte ihr, dass ich Ferdinand ein Abendessen zubereiten wollte.
    »Schmorbraten«, schlug sie mir unter Husten vor. »Den hast du als Kind immer gerne gegessen.«
    Ja, ich erinnerte mich.
    »Eine leckere Überraschung für deinen Mann.« Mutter bemühte sich um ein Lächeln.
    Ich küsste sie dankbar, nahm den Braten aus der Gefriertruhe meiner Tante und stibitze noch eine Flasche Weißwein aus der Küche. Aus Mutters Blumenbeet grub ich einige Stiefmütterchen aus, die ich in Ferdinands Garten gegen die verwelkten Pflanzen austauschte. Zufrieden betrachtete ich mein Werk. Schon bald würde ich mich hier zu Hause fühlen. Daran hatte ich keinen Zweifel mehr.
    Die nächste Stunde verbrachte ich am Herd. Ich legte das Rind ein, schnippelte Kartoffeln, setzte Gemüse auf. Die Arbeit ging mir leicht von der Hand. Während das Fleisch im Topf schmorte, wuchs meine Vorfreude. Eine leckere Überraschung für deinen Mann , hallte die Stimme meiner Mutter durch meinen Verstand.
    »Meinen Mann«, sagte ich und wiederholte die Worte, nur um mich mit ihrem Klang vertraut zu machen. »Meinen Ehemann.« Ich musste kichern.
    Dann hörte ich das Knattern des Wartburgs, mit dem Ferdinand in die Einfahrt bog. Ich hastete mit den Töpfen an den Tisch.
    »Du hast Abendessen gemacht«, begrüßte mich mein Mann.
    Strahlend gab ich ihm den Braten auf den Teller.
    »Gut.« Er entfaltete eine Serviette auf seinem Schoß. »Das freut mich und … Moment, was ist das?«
    »Schmorbraten. Meine Mutter hat ihn früher …«
    »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
    Ich blickte ihn verwirrt an. Soße tropfte vom Löffel auf die Tischdecke.
    »Ich hab’ dir doch gesagt, am liebsten mag ich Hähnchenfilet.« Ferdinand warf die Serviette auf den Tisch. Dabei bemerkte er das Weinglas. »Und dazu Rotwein. Rotwein! «
    Er stieß den Teller von sich. Dieser schlitterte über den Tisch und zersprang auf den Fliesen. Soße und Fleisch spritzten umher.
    Wie betäubt legte ich den Löffel beiseite, nahm ein Kehrblech und fegte die Scherben zusammen. Tränen nässten meine Wangen.
    »Es tut mir leid«, hörte ich Ferdinand sagen. »Weißt du, es war so viel Arbeit in Berlin und …«
    »Nein, mir tut es leid«, unterbrach ich ihn, weil mich das schlechte Gewissen plagte. Ich hätte es doch wissen müssen. Er hatte mir von seinen Vorlieben erzählt. Hähnchenfilet. Rotwein. Müller-Thurgau. Wie hatte ich das vergessen können?
    »Es war töricht von mir«, sagte ich. »Entschuldige.«
    »Gut«, antwortete er.
    Ich wischte die Essensreste vom Boden. Als ich mit dem Lappen zur Anrichte ging, kam Ferdinand zu mir, nahm ihn mir aus der Hand und wrang ihn aus. »Weißt du was, lass uns ins Theater gehen. Am

Weitere Kostenlose Bücher