Die Mädchenwiese
Richard Zachowski.«
»Wie alt ist er?«
»Was spielt das für eine …«
»Wie alt?«
»Achtzehn oder neunzehn, ein übler Bursche, sehr aggressiv, ich musste ihn einige Male des Clubs verweisen. Er hat Drogen an die Kids vertickt.«
»Mit anderen Worten«, stellte Paul fest, »wenn Lisa Theis mit ihm zu tun hatte, befand sie sich zweifellos in den falschen Kreisen.«
»Ja, und wahrscheinlich hängt sie jetzt in genau diesen Kreisen ab.« Rasch fügte Ben hinzu: »Aber Sam hat seinem Onkel gestern schon von Zack erzählt.«
»Nein, das hat er nicht«, widersprach Alex, »wenn ich Sams Mutter richtig verstanden habe, weiß die Polizei nichts von einem Zack.«
»Dann verrat du es ihr.«
»Warum hast du es nicht getan? Schließlich geht es um ein verschwundenes Mädchen.«
»Ich wiederhole mich nur ungern, aber so wie es aussieht, ist Lisa von zu Hause abgehauen .« Ben hob die Hände. »Und die Kids vertrauen mir nun mal, ich bin Sozialarbeiter …«
»… ohne einen Job!«, warf Alex ein und bereute seine Worte im selben Moment.
Sein Freund musterte ihn. »Und du bist ein Polizist ohne Job. Warum ist dir das so wichtig mit der Theis?« Weil Alex nicht reagierte, nickte Ben, als hätte er nichts anderes erwartet. »Du fühlst dich immer noch schuldig wegen der Mädchen damals, richtig?«
Alex wich seinem Blick aus. Ich habe eine … Dummheit gemacht.
»Und jetzt glaubst du, du kannst es wiedergutmachen?«
Alex sah seinen Freund an. »Wo finde ich diesen Zack?«
Sam wartete, bis die beiden Männer mit dem Hund den Jugendclub verlassen hatten und mit ihrem Auto weggefahren waren. Erst dann traute er sich hinüber in das Gebäude. Ben stand im Flur und hielt eine leere Bierflasche in der Hand. Als er Sam bemerkte, hellte sich seine Miene auf. »Hey, junger Mann, gerade haben wir über dich gesprochen.«
Sam sah ihn verwundert an.
»Nein, nein!« Der Betreuer winkte lächelnd ab. »Nichts Schlimmes. Obwohl …«
Sam hielt die Luft an.
»Wolltest du gestern nicht mit deinem Onkel reden? Über Zack?«
Sam nickte mit gesenktem Kopf. »Ja, aber er war nicht da. Und dann … Dann …« Sam schluckte schwer. Tränen stiegen ihm in die Augen. Er wollte nicht weinen. Er kämpfte dagegen an. »Und dann hat er mir nicht zugehört. Weil ich im Wald war. Wo ich die alte Hexe gesehen habe. Er hat mir nicht geglaubt. Keiner glaubt mir. Und jetzt … und jetzt will Mama mich … mich in ein Heim schicken.«
»Wow, stopp, jetzt mal langsam, alles der Reihe nach. Wer will dich in ein Heim stecken? Wie kommst du darauf?«
»Das hat meine Tante gesagt. Vorhin. In der Küche.«
»Das hat sie zu dir gesagt?«
»Zu meinem Onkel. Ich hab’s gehört.«
»Wieso sollte deine Mutter dich in ein Heim schicken wollen?«
»Sie hat Angst, sie macht sich Sorgen … Aber ich mache mir doch auch nur Sorgen.« Sams Hände krampften sich zusammen. Er schaute zu dem Betreuer auf. »Daran ist doch nichts Schlimmes.«
»Nein, da hast du recht.« Ben rieb sich das Kinn. »Ich glaube, jetzt trinken wir erst einmal einen heißen Kakao. Der wird dir guttun. Dann erzählst du mir alles Weitere. Was meinst du?«
Sam hatte keinen Durst, aber er war froh, dass der Betreuer nicht mit ihm schimpfte, ihn nicht auslachte, nicht hänselte, egal wie verworren Sams Worte klangen. Es war schön, dass wenigstens einer ihm zuhörte. Ihn ernst nahm. Er folgte Ben in den benachbarten Raum, den dieser mit einer schmalen Anrichte und einer Mikrowelle zur Küche umfunktioniert hatte. In der Ecke surrte ein alter Kühlschrank, den Ben bei eBay ersteigert hatte. Er entnahm ihm eine Packung Milch, füllte sie in zwei Gläser, löffelte Kakaopulver hinein und erhitzte sie in der Mikrowelle.
»Hast du was gefrühstückt?«, fragte Ben.
Sam schüttelte den Kopf. Er war sich allerdings nicht sicher, ob er überhaupt einen Bissen hinunterbekommen würde.
»Ich auch noch nicht. Mal sehen, was der Kühlschrank sonst noch so hergibt.« Ben brachte Stullen zum Vorschein. »Mit Nutella?«
»Ja.«
Ben schmierte zwei Brote und reichte Sam eines. Freudlos nagte dieser an der Schokoschnitte.
»Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du Hilfe brauchst, das weißt du hoffentlich«, erklärte der Betreuer.
Sam nickte. Deswegen war er hier. Weil er Hilfe brauchte. So vieles war seit dem Vortag passiert. Er wusste gar nicht, wo er anfangen sollte.
»Soll ich mal mit deinem Onkel reden?«, fragte Ben.
»Das würdest du tun?«
»Wenn du das
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