Die Männer der Raumstation
Kiel.
Zwölf Monate ...
Dreihundertfünfundsechzig Tage ...
Angestrengte Arbeit, wenig Schlaf und so gut wie keine Abwechslung. Einmal besuchte ein Reporterteam die Station und drehte einen Film; es gelang Ion und Peer, die bewußten Räume abgeschlossen zu halten. Reparaturen und Flüge mit den Pinassen. Tankkontakte aller Schiffstypen. Versorgungsboote – insgesamt neun Unfälle konnten behoben werden, die noch ein Jahr vorher als Totalverlust hätten abgebucht werden müssen. Der Leiter der Kurse für jene Ersatzgruppen bekam seine ersten grauen Haare, wenn er daran dachte, wie es ab Januar weitergehen würde. Der Vertrag sah vor, daß von beiden Seiten eine Prolongierung möglich war, aber die beiden Männer hatten offiziell gekündigt.
Das Jahr 2389 neigte sich seinem Ende zu.
*
27. Dezember 2389 – 22 Uhr 30
»Niemand bedauert so sehr wie wir beide«, sagte Ion und blickte auf einen der eingeschalteten Schirme, die wiedergaben, was vor dem Schiffsgiganten im Raum schwebte, »daß ihr uns verlassen müßt.«
Er blickte Yolay mit einem sanften, durchdringenden Lächeln an.
»Es gibt keine andere Möglichkeit, Ion«, sagte sie leise, »aber es gibt da ein paar Wege.«
»Wege?« fragte Ion.
»Ja. Ich werde dir in wenigen Minuten etwas zeigen.«
Ion betrachtete, Yolay den Rücken zuwendend, das Bild der Station. Eine silberne Kugel, die sich kaum merklich drehte. An beiden Polen hingen die skurrilen Formen der Pinassen; gedrungene tropfenförmige Maschinen mit großen Fenstern und großen Schleusen, Düsenringen und dem Meiler, der seitlich an einer Metallkonstruktion befestigt war.
Weit dahinter stach die Sonne aus der Schwärze hervor und beleuchtete ein winziges rotes Pünktchen, den Mars. Das Pfadfinderinnenschiff war im Ortungsschatten des Asteroiden angeflogen und schwebte jetzt dort, zumindest schwer zu identifizieren für die Radarüberwachung des Mars.
»Zuerst: die Daten.«
Ion zuckte zusammen und drehte sich um. Er war, drei Tage vor der eigenen Abreise, in Gedanken versunken gewesen und erschrak beim Klang von Yolays Stimme.
»Ach, ja«, murmelte er und ging in die Mitte des Raumes hinein.
»Innerhalb des nächsten Jahres wird eine Delegation von Moodgeegalee auf der Erde landen. Wir hoffen, daß sie nicht mit Geschützfeuer empfangen wird. Könnt ihr auf irgendeine Weise dafür sorgen?«
Ion nickte schweigend.
Er wollte nicht sprechen. Einen Moment lang zuckte ein Bild vor ihm auf: die kommenden Monate und Jahre ohne Yolay – ohne ihre hellblauen Augen, ohne das lange dunkle Haar und ohne die schlanken Finger. Und ohne die Stimme, die zwischen vollkommener Selbstsicherheit und unschuldiger Unsicherheit schwankte, je nach Tageszeit und Thema.
»Ja«, sagte er dann. »Wir werden jemanden finden, der unsere Geschichte glaubt und genügend Befugnisse besitzt, um alles entsprechend zu arrangieren. Muß ich euch jetzt für alles danken? Ich glaube, daß hier Worte ziemlich sinnlos und auf jeden Fall ungenügend sind.«
Sie sprach unbeirrt weiter.
Der Raum war groß und rechteckig, und er zeigte die kühle und wenig persönliche Kultur des Zentralplaneten der Hundertweltenliga. Die wenigen Einrichtungsgegenstände, die nicht als Einbauten die Wände bedeckten oder aus den Wänden hervortraten, waren rechteckig, viereckig oder rund – reine, mathematische Formen, die zeitlos waren und alterslos. Ein gewaltiger Panoramaschirm bedeckte die eine Wand.
»Wir kamen aus der Gegend der Kapella, dem Sternbild des Fuhrmanns, wie es eure Sternkarten zeigen. Wenn wir weiterfliegen, so tun wir es in Richtung auf die Große Magellansche Wolke. Das ist unser Kurs. Vielleicht entdecken wir noch eine oder die andere Rasse, ehe es zu spät wird.«
Ion musterte sie scharf und erinnerte sich.
»Habt ihr bestimmte Vorstellungen von dem ›Nachher‹? Was werdet ihr tun?«
Sie lächelte vage.
»Wir suchen etwas heraus, das uns ermöglicht, weiterhin im Raum zu bleiben. Wenn wir uns nicht anders entscheiden – ich habe mit Shahi schon gesprochen –, dann werden wir Kontakter. Wir besuchen Rassen, die bereits erforscht worden sind und versuchen, die Planeten in die Liga einzugliedern. Etwas, was das Team tut, das nächstes Jahr kommen wird. Wir bleiben auf alle Fälle im All.«
»Wie lange wird eure seltsame Fähigkeit noch anhalten?« fragte Ion. »Ich meine, bis sie restlos verschwunden ist und bis ihr nichts anderes seid als einfache Säugetiere von Moodgeegalee?«
»Oh«, erwiderte sie
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