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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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höhlenartigen Vertiefung im Fels empor, von der aus sie einen Teil der Schlucht und das Gelände an ihren Rändern überblicken konnten.
    Eine Weile rührte sich nichts. Es war so still, daß Björn das Blut in seinen Ohren pochen hören konnte. Der Himmel war verhangen, doch das Licht in der baumlosen Einöde war von schmerzender Helligkeit. Hier und dort wuchs spärlich Gras, und wenn die Halme von einem Windhauch gestreift wurden, zog es die Blicke auf sich, weil es die einzige Bewegung in dieser unbelebten Landschaft war.
    Plötzlich erfüllte donnernder Lärm die Schlucht, durchmischt von Schreien und dem furchterregenden Gebrüll der Pikten. Hinter Felsbrocken sprangen zottige Gestalten hervor, sammelten sich am Eingang der Schlucht und schmetterten ihre Keulen auf dieKöpfe der flüchtenden Engländer. Jetzt gab Sven seinen Männern den Befehl zum Angriff. Johlend stürzten sie sich auf die verdutzten Pikten. Als diese erkannten, daß sie selbst in einen Hinterhalt geraten waren, rissen sie sich in ohnmächtiger Wut die Felle herunter, und nun sah man, daß auch Frauen unter ihnen waren. Damit sei ihr Schicksal besiegelt gewesen, erzählt Björn. Denn der Anblick nackter Frauen inmitten des Schlachtgetümmels habe in den Dänen hemmungslose Mordlust geweckt; wie eine Horde rasender Berserker seien sie über die Pikten hergefallen und hätten sie blindwütig niedergemetzelt. Den Frauen aber hätten sie die Schäfte ihrer eigenen Speere in die Scheiden getrieben.
    Sven ging über das Schlachtfeld und betrachtete die grausam verstümmelten Leichen. »Gumlä ist nicht darunter«, sagte er zu Skarthi. »Wir werden ihn also in seiner Burg aufsuchen müssen.«
    »Dann sollten wir es tun, bevor er sich von dem Schrecken erholt hat«, erwiderte Skarthi.
    Torkel Wurmfraß gesellte sich zu ihnen. Er hinkte und rieb sich den Hals, wo er von einer Keule getroffen worden war. »Alles vergebens«, sagte er mißmutig. »Mehr als fünfzig meiner Leute haben sie umgebracht, aber mich, der ich meinen Körper schutzlos ihren Speeren preisgab und gegen zehn zugleich kämpfte, mich behandelten sie wie ein rohes Ei.«
    »Gräme dich nicht, Torkel«, sagte Sven. »Dir wird sich auch künftig noch manche Gelegenheit bieten, den Heldentod zu sterben, dafür verbürge ich mich.«
    Mit einem knappen Dutzend ausgewählter Männer stieg Sven Gabelbart nun in die Schlucht hinunter. Gumläs Burg lag an ihrem Ende, oberhalb eines in mehreren Stufen herabstürzenden Wasserfalls. Sie bestand aus einer Anzahl miteinander verbundener Höhlen, die zur Talseite hin durch eine Mauer aus Felsgestein abgeschirmt waren. Die Fallensteller wußten zu berichten, daß die Burg, ähnlich einem Fuchsbau, mehrere Ausgänge besitze, von denen einer so nahe am Fluß liege, daß man diesen in ihn umleiten und die ganze Burg unter Wasser setzen könne.
    Sven ließ in Sichtweite der Burg ein Zelt aufschlagen und rief seine Gefolgsleute zur Beratung zusammen. Als letzter erschien Ulf der Ungewaschene mit der Nachricht, daß der Fluß kaum noch Wasser führe. Daraufhin stürzten alle aus dem Zelt und sahen, daß aus dem reißenden Strom ein Bächlein geworden war und statt des tosenden Wasserfalls nur noch ein dünnes Rinnsal von den Felsen herabplätscherte.
    »Die Pikten stauen den Fluß, um uns in dem Wasserschwall zu ertränken«, sagte Skarthi, ohne daß ihm Erregung anzumerken war.
    »Wir müssen zurück«, rief Ivar von Skaneyrr.
    »Ich habe einen besseren Vorschlag«, sagte Skarthi, an Sven gewandt: »Laß Torkel und mich zu Gumlä gehen und herauszufinden suchen, wie sehr er am Leben hängt.«
    Während die anderen sich fragend anblickten, erriet Sven, was Skarthi meinte. »Ich hatte schon oft Grund, deinen Mut zu bewundern, Freund«, sagte er langsam. »Doch wenn das gelingen soll, brauchst du vor allem Glück.«
    »Du hast mich vor Burgundaland aus dem Wasser gezogen, mehr kann ich vom Glück nicht erhoffen«, antwortete Skarthi. Er bat Torkel, seinen Schmuck und alle Waffen abzulegen - bis auf ein Messer, das man beim Klettern zwischen die Zähne nehmen konnte. Dann schwärzten sie sich Gesicht und Hände mit Asche, und als es dunkel wurde, machten sie sich an den Aufstieg.
    Die anderen lauschten mit angehaltenem Atem in die Finsternis. Einmal drang der klagende Laut eines Vogels an ihr Ohr, dann glaubten sie, flüsternde Stimmen zu hören, und nach einer Weile prasselten Steine herab, die den an der Felswand Emporklimmenden trügerischen Halt geboten

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