Die Maenner vom Meer - Roman
locken. Sie blieben daher an dem Platz, den sie in Erwartung der Schlacht eingenommen hatten, und ließen sich auf dem Boden nieder. Zu spät erkannten die Pikten, daß sie das Opfer der eigenen Vorsicht geworden waren. Denn während sie argwöhnisch das feindliche Lager beobachteten, hatten die Dänen sie im Schutz der Dunkelheit umzingelt. Sie wurden bis zum letzten Mann niedergemacht.
Am nächsten Tag ließ Sven die Burg stürmen. Die Pikten hatten nur einige Dutzend Männer zu ihrer Verteidigung zurückgelassen, und diese stürzten sich von der Mauer, als das Tor unter den wuchtigen Stößen eines Baumstamms zersplitterte. Von den Bewohnern war keiner mehr am Leben; ihre verstümmelten Leichen lagen auf den Straßen. Etlichen hatte man die Halsschlagadern aufgeschnitten, was darauf schließen ließ, daß die Pikten ihr Blut getrunken hatten. Sven gab Befehl, die Leichen auf dem Burgplatz zu verbrennen, während er die toten Pikten enthaupten und ihre Köpfe zum Piktenfürsten Gumlä bringen ließ. Im Gegenzug schickte ihm Gumlä zwei seiner Töchter. Sie waren klein und rundlich und rochen nach Hammelfett, so daß Sven sie naserümpfend an seine Gefolgsleute weiterreichte.
Kurze Zeit später traf Torkel Wurmfraß mit Aethelreds Heer ein. Der König, wußte er zu berichten, habe Gilli den Russen empfangen, der mit kostbaren Geschenken und einer Botschaft von König Harald gekommen sei. Daraufhin habe Aethelred seine Absicht fallenlassen, sich selbst an die Spitze seines Heeres zu setzen, und sich mit dem Sklavenhändler zu geheimen Beratungen zurückgezogen. Sven bedachte die Mitteilung mit einem spöttischen Lächeln.
Gemeinsam zogen nun Engländer und Dänen hinter den fliehenden Pikten her. Da es mehr als leichtsinnig gewesen wäre, sich aufs Geratewohl in die unwegsamen Berge zu wagen, suchte Sven einen Stamm schlitzäugiger Fallensteller auf, die vor vielen Menschenaltern über das Meer gekommen und seither von den Pikten dem jagbaren Wild zugerechnet worden waren. Sven schenkte dem Häuptling Gumläs Töchter und versprach ihm die Herrschaft über weite Teile des Piktenlandes, wenn er ihm eine Handvoll ortskundiger Führer stelle. Der Häuptling nahm alles an, versicherte jedoch mit nachdrücklichen Gebärden, daß er auch ohne Geschenke zu dieser Hilfeleistung bereit gewesen wäre.
Auf schmalen Saumpfaden oberhalb der Täler führten die Fallensteller sie in eine schroffe, anscheinend unbewohnte Bergwelt. Die Höhlen und Rundtürme fanden sie verlassen, aber in einigen war die Herdasche noch warm. Die Fallensteller gaben in ihrer Zeichensprache zu verstehen, daß jederzeit mit einem Überfall zu rechnen sei, und sie rieten, sich so nahe wie möglich an der Felswand zu halten. Dann aber kamen sie an eine Schlucht, zu deren Sohle sich der Pfad hinabwand und dort mehrmals einen weißschäumenden Fluß kreuzte. Sie selbst, bedeuteten die Fallensteller, hätten diese Schlucht aus Angst vor den Pikten stets gemieden, doch führe durch sie der einzige Weg zu Gumläs Burg, wenn man nicht einen zeitraubenden Umweg durch Sümpfe und über schneebedeckte Pässe in Kauf nehmen wolle. Von diesem wüßten sie allerdings nur vom Hörensagen, und kein Angehöriger ihres Stammes habe bislang zu erkunden versucht, ob es ihn auch wirklich gebe.
Björn hörte, wie Sven zu Skarthi sagte: »Jetzt ist guter Rat gefragt, Freund. Denn so beschwerlich der Umweg sein mag, so sicher ist diese Schlucht eine Falle.«
»Darin stimme ich dir zu«, entgegnete Skarthi. »Aber damit aus der Schlucht eine Falle wird, muß Gumlä uns den Rückweg abschneiden, und das kann er nur an der Stelle tun, wo wir uns jetzt befinden.«
»Du hast recht. Doch würde er die Falle zuschnappen lassen, ohne daß jemand drinsitzt?«
Beider Augen richteten sich nun auf Torkel Wurmfraß, und dieser sagte: »Der verdammte Wurm zwickt mich heute schlimmer denn je. Wenn ihr nichts dagegen habt, werde ich mit meinem Heer den Lockvogel machen.«
»Ich will deinem Schicksal nicht im Wege stehen, Torkel«, sagte Sven. »Aber laß ein paar Männer zurück, damit Aethelred aus ihrem Mund erfährt, daß es dein eigener Wille war.«
»Du denkst an alles, Sven Gabelbart«, schmunzelte Torkel und stieg mit seinen Männern in die Schlucht hinab. Währenddessen verteilte Sven seine Leute an ihrem Eingang und schärfte ihnen ein, sich dem Feind nicht eher zu zeigen, bis er den Befehl zum Angriff erteile. Er selbst kletterte mit Skarthi und Björn zu einer
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