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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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ging seinen Gästen voran in die Halle. Dort nahmen sie vor einem riesigen Kamin Platz, in dem ein unscheinbares Torffeuer gloste. Aethelred ließ Bier und Wein bringen, nicht vom besten und auch nicht allzu reichlich, denn bei den Engländern galt es als unfein, sich in Gegenwart von Frauen zu betrinken.Dann bat der König Sven, von dem Feldzug gegen die Pikten zu erzählen, doch dieser winkte ab und schlug vor, daß man den Bericht von Björn Hasenscharte entgegennehmen möge, dem er die Aufgabe übertragen habe, sich alle Vorkommnisse einzuprägen und sie auf Verlangen wahrheitsgemäß wiederzugeben.
    Aus dem Augenzwinkern, das Sven seinen Worten hinterherschickte, entnahm Björn, daß ihm eine großzügigere Auslegung des Wahrheitsgebots keineswegs verübelt werde. Und als er nun zu erzählen begann, deutete Sven hin und wieder mit einem Kopfnicken an, daß sie einander verstanden hatten. Auf solche Weise angespornt, flocht Björn in seinen Bericht eine Fülle farbig geschilderter Ereignisse ein, die, teils erdacht, teils anderen Geschichten entnommen, unter jenen, die dabei gewesen waren, Verwunderung auslösten und Torkel Wurmfraß gar zu der Klage veranlaßten, daß ihm die spannendsten Augenblicke des Kampfgeschehens entgangen seien. In verhaltenerem Tonfall und jener nüchternen Erzählweise, mit der sich der geübte Erzähler gegen den Vorwurf der Schmeichelei wappnet, lenkte Björn die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer dann auf den Mann, dessen überragender Feldherrenkunst die Unterwerfung der Pikten zu verdanken war. Und der mit geringem Aufwand so eindrucksvoll Gerühmte vergalt es ihm mit einem Lächeln.
    »Wir hören voller Bewunderung, wie du die Pikten bezwungen hast, Vetter«, sagte Aethelred, nachdem er eine Weile nachdenklich in die Glut gestarrt hatte. »Und es spricht für deine Klugheit, daß du den kleinen Mann erzählen ließest, denn aus deinem Mund hätte manches arg nach Prahlerei geklungen. Ich habe seinen Worten gern gelauscht, während mich die Berichte meiner eigenen Leute schrecklich gelangweilt haben. Möge dein Schatten nie kleiner werden, Vetter.« Darauf trank er Sven zu. Dieser leerte sein Glas und warf es über die Schulter gegen die Wand, und seine Gefolgsleute taten es ihm nach. Unter den Angelsachsen schien diese alte dänische Sitte in Vergessenheit geraten zu sein, denn sie blickten einander betreten an und lüpften mißbilligend die Brauen. Aethelredaber sagte zu Sven: »Es wäre nicht nötig gewesen, meine teuren rheinischen Gläser zu zerschmettern, um uns vor Augen zu führen, wie verschwenderisch ihr Dänen mit fremdem Gut umgeht, Vetter. Wie ich zu meinem Erstaunen vernommen habe, hast du die Pikten vor die Wahl gestellt, entweder ihr Land zu verlassen oder als Sklaven verkauft zu werden.«
    »So ist es«, antwortete Sven. »Ich glaubte, damit in deinem Sinne zu handeln, denn ich weiß, daß du ein frommer Christ bist und dich als solcher nicht mit der Sünde befleckt sehen möchtest, Menschen in den Tod zu schicken, die man sich auch auf andere, womöglich gar gewinnbringende Weise vom Hals schaffen kann.«
    »Ohne Zweifel hätte ich genauso entschieden«, gab Aethelred zu. »Aber da sich inzwischen herumgesprochen hat, daß es deine Entscheidung war, lieber Vetter, kann ich sie unmöglich gutheißen, ohne meinem Ansehen zu schaden. Ich werde die Pikten also schweren Herzens umbringen lassen müssen.«
    »Die Mühe kannst du dir sparen, Vetter«, entgegnete Sven. »Denn ich fürchte, sie werden lieber auf den Inseln im Westen verhungern, als uns beiden zu Wohlstand verhelfen.«
    »Diese Inseln sind öde und unfruchtbar und außer von einigen Norwegern von bösen Geistern bewohnt, aber sie gehören mir, Vetter«, sagte Aethelred, den das Reden sichtlich zu ermüden schien, denn er gähnte so ausgiebig, daß ihm die Krone vom Kopf zu rutschen drohte. »Wie könnte ich dir das Recht einräumen, über einen Teil meines Reiches zu verfügen?«
    »Vergiß nicht, daß du Sven Gabelbart Dank für seine Hilfeleistung schuldest«, sagte nun die schöne Melkorka. »Schenk ihm die Inseln und die Pikten, bevor er mehr von dir verlangt.«
    »Ich habe dich nicht um Rat gefragt, mein Augapfel«, sagte Aethelred und kniff ihr beiläufig in den Schenkel.
    »Hättest du es öfter getan, würde man dich nicht den ›Ratlosen‹ nennen«, gab die Königin schnippisch zurück.
    »Ach, Melkorka«, seufzte Aethelred, »was für eine spitze Zunge verbirgt sich hinter deinen rosigen Lippen.«

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