Die Maenner vom Meer - Roman
ohne den Verstand zu verlieren.«
»Das ist immerhin gut gesprochen«, sagte Melkorka und schaute ihren Gemahl an, als erwarte sie Zustimmung von ihm. Doch Aethelred war zu tief gekränkt, als daß er an wohlgesetzten Worten hätte Gefallen finden können. Er stülpte sich die schwere Krone auf das Haupt und sagte: »Ich gebe dir drei Tage Zeit, mein Land zu verlassen, Sven Haraldsson!« Damit schritt er, von seinen Schwestern gefolgt, aus der Halle.
»War es unbillig, was ich verlangt habe?« fragte Sven mit geheucheltem Erstaunen.
»Mein Vater hätte dich dafür häuten lassen«, antwortete Melkorka und bot ihren prachtvollen Körper noch einmal den bewundernden Blicken dar, bevor sie ging.
»Du hast ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen, Sven Gabelbart«, sagte Torkel. »Und ich kann nicht glauben, daß es ohne Absicht geschah.«
Svens Antwort war ein flüchtiges Schmunzeln. Dann sagte er: »Was wirst du jetzt tun, Torkel?«
»Drei Tage sind eine knapp bemessene Frist«, erwiderte dieser. »Ich will noch einen Tag länger warten, aber dann muß ich tun, was ich als König Aethelreds Gefolgsmann zu tun verpflichtet bin.«
»Hast du genügend Männer, uns zu vertreiben?«
»Es ist nicht meine Art, mich mit Zahlen zu brüsten«, antwortete Torkel Wurmfraß. »Du kannst sie selbst zählen, wenn ihr am fünften Tag noch im Lande seid.«
»Komm, laß uns trinken, Torkel«, sagte Sven. Den Dienern befahl er, das braune Lebenswasser auszuschenken, und davon tranken sie die ganze Nacht.
8
IN YORK TRAF SVEN WIEDER mit Odinkar zusammen, der südwärts an der Küste entlanggefahren und in heftige Kämpfe mit Wikingern verwickelt worden war. Diese, wußte er zu berichten, stünden unter dem Befehl eines Häuptlings, von dem man bislang angenommen habe, daß er nur noch als Sagengestalt lebendig sei, doch habe er, Thorgeir Bryntroll nämlich, dies auf überzeugende Weise dadurch widerlegt, daß er zwölf von Odinkars Männern mit seiner zweischneidigen Streitaxt erschlagen habe.
»Daraufhin«, fuhr Odinkar fort, »bat ich Thorgeir um ein Gespräch, unbewaffnet und unter vier Augen. Du mußt wissen, daß ich Thorgeir einmal von einer bösen Krankheit heilte, und er erinnerte sich daran. Wir trafen uns auf einer Sandbank vor der Küste. Ebensowenig wie an Kraft hatte er an Schläue eingebüßt, daher kostete es mich große Mühe, ihm das Geständnis zu entlocken, daß wir nicht zufällig aneinandergeraten waren.«
»Wenn er dir aufgelauert hat«, sagte Sven, »dürfte es nicht schwer zu erraten sein, wer ihn bezahlt.«
»Dasselbe dachte ich auch«, entgegnete Odinkar. »Als ich aber Aethelreds Namen nannte, lachte mich Thorgeir aus und sagte, daß er mit diesem Schwächling keine Geschäfte mache.«
»Also mein Vater.«
Odinkar nickte: »Er hat ihm Geld und sechs bemannte Langschiffe gegeben.«
»Es muß schlecht um Harald Blauzahn bestellt sein, wenn er nichts Besseres gegen mich aufzubieten hat, als diesen alten Seeräuber«, sagte Sven. »Wie seid ihr verblieben?«
»Nach der Unterredung bat er mich, seine Wunden zu behandeln, und ließ mich unbehelligt weitersegeln. Aber es steht zu erwarten, daß wir ihm bald wieder begegnen werden, und du solltest dich hüten, Thorgeir Bryntroll zu unterschätzen.«
»Deinen Geschichten entnehme ich, daß du Thorgeir kennst«, wandte sich Sven an Björn. »Versuch ihm klarzumachen, daß es vorteilhafter für ihn wäre, mit mir ins Geschäft zu kommen.« Er reichte Björn einen Beutel mit Hacksilber, das er dem Wikinger als Handgeld geben sollte, wählte zu seiner Begleitung acht unerschrockene Seeländer aus und befahl, sogleich aufzubrechen.
Sie ritten auf geradem Weg zur Küste. Dort stießen sie auf eine Anzahl ausgebrannter Höfe. Auf den Weiden lagen die aufgeblähten Kadaver von Schafen und Kühen, denen die schmackhaftesten Teile herausgeschnitten worden waren. Menschen fanden sie keine, bis auf eine Frau, die man an ein Scheunentor genagelt hatte. Sie lebte noch, aber sie redete irre; der Schmerz hatte ihr den Verstand geraubt. Aus all dem schloß Björn, daß Thorgeir Bryntroll nicht weit sein konnte.
Er ließ seine Männer ausschwärmen, damit er nicht in einen Hinterhalt gerate. Doch die Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig, denn der Wikinger hatte den Landstrich entlang der Küste so gründlich verwüstet, daß er sich vor Feinden sicher wähnte. Seine Schiffe lagen in einer Bucht, die bis auf einige Pfützen trockengefallen war.
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