Die Maenner vom Meer - Roman
sie ihre Schwerter und hieben auf die Toten und Verletzten ein. Danach wandte sich die tobende Horde den Engländern zu, die, vom Kampf ermattet, am Ausgang der Senke lagerten. Doch nun trat Sven Gabelbart ihr entgegen und rief mit schneidender Stimme: »Ist einer unter euch, mit dem man vernünftig reden kann?«
Thorgeir Bryntroll stellte sich breitbeinig vor ihm auf. Eines seiner Augen blickte himmelwärts, während das andere auf Sven gerichtet war. »Versuch es mit mir, Kleiner«, sagte er mit störrischer Zunge.
»Du sprichst mit Sven Gabelbart«, sagte Björn.
»Laß mich nachdenken«, sagte der Wikinger und legte seine tätowierte Stirn in Falten. »Warst du es, von dem ich einen kleinen Beutel Silber erhielt, damit es mich nach mehr gelüste?«
»Die Schlacht ist zu Ende«, sagte Sven. »Du kommst zu spät, Thorgeir Bryntroll.«
»Das bedauert niemand mehr als ich«, entgegnete Thorgeir. »Aber meine Männer kämpfen besser, wenn sie etwas getrunken haben, und so machten wir einen Umweg über Grimsby, wo, wie jeder weiß, ein gutes Bier gebraut wird.«
»Wie viele seid ihr?«
Thorgeir drehte sich schwankend zu seinen Männern um, die inzwischen begonnen hatten, die Leichen zu fleddern. »Als wir von Bord gingen, waren wir an die zweihundert, mittlerweile scheint sich ihre Zahl etwas verringert zu haben. Ich denke, daß einige in Grimsby hängengeblieben sind.«
»Ich werde dir und deinen Männern Gelegenheit geben zu beweisen, daß ihr noch zu etwas anderem fähig seid, als Bier zu saufen und Wehrlose zu ermorden«, sagte Sven. »Höre also, ThorgeirBryntroll: Du wirst mit deinen Leuten nach Lundenwic segeln und außerhalb des Hafens vor Anker gehen. Aber unternimm dort nichts auf eigene Faust.«
Thorgeir winkte seinen Steuermann herbei und sagte: »Kann es sein, daß ich mich verhört habe, Tryggve? Mir ist, als ob mir dieser Winzling etwas befohlen hätte.«
Skarthis Schwert traf ihn zwischen Schulter und Hals. Der Wikinger stand einen Augenblick reglos da, während ihm schon das Blut über Brust und Bauch strömte, dann brach er zusammen.
»Sieh zu, ob du ihn auch von dieser Krankheit heilen kannst, Odinkar«, sagte Sven. »Wenn er überlebt, werde ich ihn als meinen Gefangenen mit nach Lundenwic nehmen. Dort mag er dann entscheiden, ob er an unserer Seite kämpfen oder in einem Sack ersäuft werden will. Du aber, Freund, wirst mit Thorgeirs Männern nach Lundenwic segeln.« Dann rief er Tryggve zu sich, zog dessen Ohr dicht vor seinen Mund und flüsterte: »Sag deinen Leuten, daß Skarthi den bösen Blick hat. Er kann jeden damit töten oder in eine häßliche Kröte verwandeln.«
Die trunkene Röte erblaßte auf Tryggves Gesicht. »Dann muß sein wahrer Name Gizur der Zähnefletscher sein«, stammelte er. »Nur von diesem erzählt man sich, daß er über solche Fähigkeiten verfüge.« Als nun Skarthi zu ihnen trat, wich der Steuermann zurück und bekreuzigte sich mit zitternden Fingern.
»Was hast du ihm über mich gesagt?« fragte Skarthi.
»Nichts, was sich zu wiederholen lohnte, Freund«, lächelte Sven. »Windigen Unsinn.«
Am Ufer des Sees versammelte er den Rest seines Heeres und rief den Männern zu: »Ihr habt einen großen Sieg errungen. Zum Dank werde ich an dieser Stelle einen Stein errichten lassen, der noch in fernen Zeiten von eurer Ruhmestat künden soll.« Die Männer starrten ihn teilnahmslos an; der Sieg schien ihnen ebenso unbegreiflich zu sein wie die Tatsache, daß sie das Blutbad als einzige überlebt hatten. Nun führte ihnen Sven die Jarle der Angelsachsen vor, nannte ihre Namen und rühmte jeden einzelnen wegen seinerTapferkeit. Dennoch hätten sie vor ihm das Knie gebeugt und würden nun an seiner Seite gegen Aethelred ziehen. Dies setzte die Jarle sichtlich in Erstaunen, doch keiner wagte, Sven Gabelbart zu widersprechen.
Skarthi zog mit Thorgeirs Männern zur Mündung des Humber, wo die Langschiffe der Wikinger lagen; Sven Gabelbart aber marschierte mit seinem Heer, das nun zum größeren Teil aus Angelsachsen bestand, nach York zurück. Durch Boten ließ er den Bürgern sein Kommen ankündigen, und diese empfingen ihn wie einen König.
10
DIE HÄNDLER VON LUNDENWIC verdankten ihren Reichtum vor allem der Erkenntnis, daß kein Geschäft größeren Gewinn bringt als ein Krieg – sofern man ihn nicht selber führt. Daher hatten sie Aethelred bereitwillig Gastfreundschaft gewährt, stand doch zu erwarten, daß früher oder später ein Widersacher den
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