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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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eines unbeteiligten Beobachters zu schildern. Denn wie die anderen habe er gekämpft und getötet und sei selbst oft nur um Haaresbreite dem Tod entgangen. Selten habe er seine Gedanken auf etwas anderes richten können, als darauf, das Gemetzel lebend zuüberstehen. Eine Schlachtordnung sei nicht zu erkennen gewesen, weder auf der eigenen Seite noch auf der des Gegners. Mann habe gegen Mann gekämpft, und in dem Getümmel sei es kaum möglich gewesen, Freund und Feind zu unterscheiden.
    Noch im Abstand etlicher Jahre wollte es Björn nicht gelingen, von der Unmittelbarkeit des Erlebens zu einer die Fülle der Eindrücke ordnenden Erzählweise zu finden. Vieles sei gleichzeitig geschehen, und dann wieder nichts. Inmitten ohrenbetäubenden Lärms hätten sich unversehens Löcher aus Stille aufgetan. So erinnere er sich, eine Weile im Morast des Seeufers gelegen zu haben; außer fernem Vogelgezwitscher sei kein Laut zu hören gewesen. Neben ihm habe sich ein Haufen ineinander verknäulter Leichen aufgetürmt. Von diesem sei Blut in vielfachen Windungen zum See hinabgeflossen und habe dort, umgeben von zerwühltem Schlamm, eine rostbraune Lache gebildet. Kurz darauf sei der Schlachtlärm wieder über ihn hereingebrochen. Er habe blindlings nach allen Seiten Hiebe ausgeteilt, aber auch selbst etliche empfangen, so daß er aus mehreren Wunden zu bluten begonnen habe. Einmal sei er mit Odinkar aneinandergeraten, doch der Gode habe ihn erkannt und ihn weiterstürmend zu Boden gerissen. Bevor er sich wieder habe aufrichten können, sei eine Horde Pikten über ihn hinweggerast und hätte ihn mit ihren nackten Füßen in den Schlamm getrampelt. Ein andermal habe er einen der Bauern von Man beim Scheißen überrascht. Vermutlich sei es auf jener Insel Brauch, niemanden, und sei es den ärgsten Feind, bei dieser Verrichtung zu stören. Er jedoch, Björn, habe ihm das Schwert in den Rücken gebohrt, woraufhin der Hüne brüllend aufgesprungen sei, ihn am Hals gepackt und in die Luft geschleudert habe. Durch den Aufprall habe er die Besinnung verloren, und als er wieder zu sich gekommen sei, habe er blauen Himmel über sich gesehen und ringsum blühendes Sumpfgras, an dem unzählige weiße Schmetterlinge baumelten. Er habe sich nicht gerührt und nichts sehnlicher gewünscht, als dort bis zum Ende der Schlacht liegenzubleiben.
    Doch dann habe er zwei Männer mit Brandzeichen auf derStirn auf sich zukommen sehen. Er habe sein Gesicht rasch mit Blut beschmiert und sich tot gestellt. Die Männer hätten in einer unverständlichen Sprache miteinander geredet und sich dann auf widernatürliche Weise an ihm zu vergehen versucht. Darüber sei er dermaßen in Wut geraten, daß er wie ein Berserker zu toben begonnen habe. Dem einen habe er den Kopf abgeschlagen, dem anderen das schon entblößte Glied, doch sei sein Zorn damit noch nicht gestillt gewesen: Seiner Sinne nicht mehr mächtig, habe er sich abermals in das Kampfgetümmel gestürzt. Der Erdboden sei so dicht mit Toten und Verwundeten bedeckt gewesen, daß man auf ihnen stehend habe kämpfen müssen, und der schwankende Untergrund habe es nicht zugelassen, gezielte Hiebe zu führen. So sei es mehr dem Zufall zu verdanken, daß er, Björn, den Sarazenen getötet habe, der mit einem Trupp Bogenschützen aus den Rauchschwaden hervorgebrochen sei. Er habe ihm die Schwertspitze in den Mund gestoßen und diesen bis zum Ohr aufgeschlitzt. Nun aber sei es den Bauern von Man gelungen, sich in einer Reihe aufzustellen, und angesichts der alles niedermähenden Riesen hätten die Dänen das Weite gesucht. Er habe sich ihnen anschließen wollen, doch sei er über einen Pferdekadaver gestolpert und habe, das Gesicht im Morast vergraben, den Tod erwartet. Die Bauern hätten jedoch kehrtgemacht, weil in diesem Augenblick Sven Gabelbart mit seinen Gefolgsleuten herangestürmt sei.
    Man bezichtige ihn jedesmal der Übertreibung oder gar der Liebedienerei, wenn er erzähle, wie Sven Gabelbart ganz allein die Bauern von Man besiegt habe. Der Vorwurf sei indessen unberechtigt, denn er berichte nur, was er mit eigenen Augen gesehen habe. Rings um ihn her seien seine Gefolgsleute zu Boden gesunken; Sven aber, die Grima vor dem Gesicht, sei nicht nur verschont geblieben, sondern habe die hünenhaften Männer einen nach dem anderen erschlagen. Dies habe allerdings nur geschehen können, weil die Bauern von Man sich nicht gewehrt hätten. Über die Gründe für dieses rätselhafte Verhalten möge jeder

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