Die Maenner vom Meer - Roman
wirbelte Asche in Torkels Gesicht, sein Mund war halb geöffnet, in seinen glasigen Augen flackerte der Widerschein des Feuers.
Auf dem Hügelkamm bewegte sich etwas. Einer der Wächter eilte in großen Sprüngen ins Tal hinab und tauchte im Nebel unter. Kurz darauf erhob sich Lärm im englischen Lager. Sven Gabelbart sprang auf, bleich vor Zorn. »Ich hätte auf Skarthi hören sollen«, stieß er hervor. Sie liefen zur Fluchtburg hinauf. Die Männer hatten sich um Odinkar und Ivar von Skaneyrr geschart. Ihre Gesichter waren grau und mürrisch. Etwas abseits stand Skarthi.
»Einer von euch hat den Feind gewarnt«, herrschte Sven die Männer an. »Statt ihn mit unserem Angriff zu überraschen, müssen wir uns jetzt unserer Haut wehren.« Und zu Skarthi sagte er: »Hast du gewußt, daß ein Verräter unter uns ist?«
Dieser hob die schwarzen Brauen, als errege die Frage sein Befremden. »Er wäre mir schwerlich entkommen«, antwortete er.
»Aber ihr braucht nicht den Mut zu verlieren, denn wir werden gegen ein führerloses Heer kämpfen«, fuhr Sven in gemäßigterem Ton fort. »Ich habe Torkel Wurmfraß getötet.«
Die Männer blickten einander an; sie glaubten ihm nicht. Wie konnte der Zwerg einen Mann töten, den die Skalden als einen unbesiegbaren Helden rühmten?
»Björn Hasenscharte kann es bezeugen!« schrie Sven.
Vom Talgrund waren erregte Rufe zu hören, die ein vielstimmiges Geschrei auslösten. Die Männer stürzten zum Wall und sahen, daß Torkel von Reitern umringt war. Zu beiden Seiten des Sees wimmelte es plötzlich von Menschen; es war, als blicke man auf ein wogendes Meer hinab, das einen festen Block umbrandete. Das waren, an ihren riesigen Gestalten von weitem erkennbar, die Bauern von Man. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge und drangen in freies Gelände vor. Ihnen schloß sich das Menschenmeer an und ergoß sich über den noch im Schatten liegenden Talgrund.
Sven verteilte sein Heer so über den Hang, daß die Wallanlage die Mitte zwischen den weit auseinandergezogenen Flügeln bildete. Von dort, wo Odinkar mit seinen Männern lag, war eine laute Stimme zu hören: Der Gode rief Tyr um seinen Beistand an.
Schon tauchten die ersten Reiter hinter einer Bodenwelle auf. Sie waren bald so nahe, daß man ihre Gesichter unterscheiden konnte. Dann kamen die Bauern von Man. Sie hatten ihre Äxte geschultert und schritten gemächlich bergan. Ihnen folgten die Bogenschützen. Der Sarazene ritt auf einem tänzelnden Schimmel vor ihnen her. Er trug einen bunten Federbusch auf dem Kopf; das Weiß seiner Zähne stach aus dem dunkelbraunen Gesicht hervor. Hinter den Bogenschützen quoll ungeordnet die Masse des Heeres heran, einbreiter, zähflüssiger Strom. Der Piktenfürst Gumlä wurde auf einer Sänfte getragen; in seinen Armen hielt er die Schüssel. Sven sah sie im ersten Sonnenlicht aufblinken, und über seinen Wangenknochen spannte sich die Haut.
Der Sarazene hob den Arm. Ein Pfeilhagel rauschte durch die Luft heran. Skarthi riß Sven mit sich zu Boden. »Wie lange willst du noch warten?« rief er.
Nun gab Sven Skjalm Hvides Söhnen ein Zeichen. Diese rissen brennende Reisigbündel aus dem Feuer und warfen sie in das trockene Gras am Fuß des Walls. Wenige Augenblicke später wuchs eine Wand aus Flammen und Rauch zum Himmel empor und wälzte sich prasselnd dem feindlichen Heer entgegen. Als erstes scheuten die Pferde; sie stürzten sich auf die Bauern von Man und drängten diese gegen die noch im Vormarsch begriffene Heeresmasse. Eine Zeitlang schien es, als halte sie dem Druck stand, dann gab sie nach, barst auseinander und verstreute sich in heilloser Verwirrung über den Talgrund. Aber dort fand das Feuer reichlichere Nahrung als am Hügelhang; gewaltig auflodernd fraß es sich durch das Schilf bis an das Ufer des Sees vor.
Svens Männer brachen in lauten Jubel aus. »Es freut mich, euch in guter Stimmung zu sehen«, sagte Sven. »Doch für ein Freudengeschrei ist es noch zu früh am Tag. Spart es euch für den Abend auf.« Dann gab er den Befehl zum Angriff. In breiter Front stürmten die Dänen in das Tal hinab. Durch den allmählich dünner werdenden Rauch sahen sie, daß ein Teil des gegnerischen Heeres vom Feuer in den versumpften See getrieben worden war, während sich ein anderer, weitaus größerer, am jenseitigen Ufer zum Gegenangriff sammelte.
Wenn Björn später von dieser Schlacht erzählte, pflegte er damit zu beginnen, daß es ihm schwerfalle, die Ereignisse nach Art
Weitere Kostenlose Bücher